SWR1 3vor8

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Jesus war kein Moralapostel. Darum ist er angeeckt. Bei ganz ernsthaften Menschen. Die waren überzeugt: Man muss verantwortungs-bewusst und moralisch leben. Nur wenn jeder und jede moralisch auf hohem Stand lebt, haben wir eine Zukunft. Das klingt doch vernünftig, wieso ist Jesus mit so ernsten Menschen überkreuz gekommen?

In der Geschichte, die heute in den evangelischen Gottesdiensten im Mittelpunkt steht, wird es erzählt. Diese - Männer vor allem - haben Jesus heftig attackiert. Weil er an einem Punkt anders war als sie. Er hat sich von Menschen, die „unmoralisch und falsch“ gelebt haben, nicht fern gehalten. Im Gegenteil, er hat sich diesen erst recht zugewendet.

Dafür haben ihn die Moralischen gehasst und attackiert: „Wie kannst Du Dich nur mit Leuten abgeben, die so falsch leben. Du lässt Dich sogar zu ihnen einladen, setzt Dich mit ihnen an einen Tisch. Das sieht doch aus, als ob Du ihnen Recht gibst. Von ihnen muss man sich fernhalten.“

Aber Jesus hat den moralisch Korrekten widersprochen: ‚Im Gegenteil: Genau zu ihnen muss ich hin. Sie sollen erleben, dass Gott sie nicht links liegen lässt. Ein Arzt geht auch zu denen, denen es schlecht geht. Für Gott ist kein Mensch „verloren“, Gott sucht jeden und jede.‘

Also hat Jesus sich denen zugewandt, die den ‚Moralischen‘ seiner Zeit ein Graus waren: Korrupten Zolleintreibern. Frauen mit zweifelhaftem Ruf. Einer Ehebrecherin. Männern mit ‚asozialen‘ Berufen. ‚Ich liebe die, die für Euch „Verlorene und Verirrte“ sind‘. Das hat Jesus gelebt.

Und was fange ich heute damit an? Zuerst fühle ich mich von Jesus getroffen. Weil ich auch öfter so ein Moralapostel bin: „Wie können Menschen immer noch diese riesigen Autos fahren. Oder jedes Mal in Urlaub fliegen. Die machen unsere Erde kaputt und unsere Zukunft.“

Und dann: Ich habe den Eindruck, moralisch Überhebliche schießen zur Zeit überall aus dem Boden. „Wie kann man heute noch Fleisch essen“, moralisieren Vegetarier und Veganer und wollen die Tiere und die Welt retten. Und im Internet: Wie oft wird moralisch verurteilt und angeprangert: Andersmeinende. Politiker.

Die moralischen Weltretter zur Zeit Jesu haben die Anderen für ‚Verlorene‘ gehalten. Heute betiteln manche andere, die nicht so denken wie sie selber als ‚Verbrecher‘. Jesus hat damals gesagt: Gott freut sich über jeden, der sein Leben ändert. Aber ändern kann jeder nur sich selbst. Damals und heute. Ob man nun unmoralisch ist oder ein Moralapostel.

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Das Gleichnis vom verirrten Schaf

15 1 Alle Zolleinnehmer und andere Menschen, die ein Leben voller Schuld führten, kamen zu Jesus, um ihm zuzuhören.
2Die Pharisäer und Schriftgelehrten ärgerten sich darüber.
Sie sagten: »Mit solchen Menschen gibt er sich ab und isst sogar mit ihnen!«

3 Da erzählte ihnen Jesus dieses Gleichnis:
4 »Stellt euch vor:
Einer von euch hat hundert Schafe und verliert eines davon.
Wird er dann nicht die neunundneunzig Schafe in der Steppe zurücklassen und das verlorene Schaf suchen, bis er es findet?

5Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voller Freude auf seine Schultern 6und trägt es nach Hause.
Er ruft seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: ›Freut euch mit mir! Ich habe das Schaf wiedergefunden, das ich verloren hatte.‹

7 Das sage ich euch:
Genauso freut sich Gott im Himmel über einen mit Schuld beladenen Menschen, der sein Leben ändert. Er freut sich mehr als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben, ihr Leben zu ändern.«

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24519
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