Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Verlieren Sie auch manchmal die Geduld? Dann sollten Sie vielleicht mal ins Fundbüro gehen. Nicht in irgendeines natürlich, sondern in ein besonderes. Es heißt „Fundbüro 2“, steht in Zürich und ist ein Kunst-Projekt. Einmal im Monat hat es geöffnet. Meinen Schlüssel oder eine verlorene Socke werde ich da nicht wiederfinden. Aber meine Geduld darf ich als verloren gegangen melden. Es ist nämlich ein Fundbüro für nicht-materielle Dinge.

„Ich habe die Neugier auf etwas Neues verloren“, sagt eine Frau bedauernd. „Ich dreh mich nur noch wie ein Hamster im Laufrad!“ Der Herr im Fundbüro notiert gewissenhaft mit. Die beiden kommen ins Gespräch. Ein Kind kommt mit seinem Vater vorbei und verkündet stolz: „ich habe die Angst verloren, allein in den Keller zu gehen!“ Auch das wird aufgeschrieben. Und ich lerne: nicht jeder Verlust ist bedauerlich. Das Kind möchte die Angst auf keinen Fall wiederhaben.

Natürlich kann man auch etwas erzählen was man gefunden hat: „die Lust am Spazierengehen“ nennt einer per Mail. Und die will er behalten. So geht es munter weiter, den ganzen Tag. Am Schalter und im Internet. Manche sagen oder schreiben nachher: „Das Fundbüro hat mir geholfen. Mir ist etwas klargeworden!“

Die Idee mit dem Fundbüro finde ich sehr anregend. Was habe ich verloren? Was fehlt mir? Was habe ich gefunden?

Die Macher von Fundbüro 2 erinnern mich daran, wie gut es tut, über das zu sprechen, was mich bewegt. Über das, was weh tut, über Fragen, die offen bleiben, und die Angst, etwas zu verlieren. Auch über das Gute, das ich erlebt habe. Seelsorge nennen wir das in der Kirche. Wenn sich jemand traut, mit einer Pfarrerin oder einem anderen Christen offen über das zu reden, was er verloren oder gefunden hat – das tut der Seele gut. Eine Lösung für seine Probleme findet man in der Seelsorge nicht unbedingt, aber ein offenes Ohr und Zeit, in Ruhe miteinander zu reden. Und oft wird einem etwas klar, was man vorher noch nicht sehen konnte.

Wenn ich so mit einem Menschen rede, vertraue ich auf einen Gedanken aus der Bibel: Ich vertraue darauf, dass Gott sein Herz verloren hat. An die Menschheit im Allgemeinen. Aber auch an diesen einen Menschen, mit dem ich gerade zu tun habe. Gottes Herz ist bei denen, die zuhören. Und bei denen, die sagen, was ihnen fehlt, ist er auch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24385
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