Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Tosend und mächtig braust der Schlussakkord des großen Orchesters, überzeugend hält der Chor seinen letzten Ton. Jetzt winkt der Dirigent ab und nur noch der Nachhall füllt den Konzertsaal. Und dann bricht der Beifall los.

Spätestens jetzt weiß jeder Chorsänger und jede Orchestermusikerin, weshalb sie die Mühen der letzten Tage und Wochen auf sich genommen haben.

Beim Predigen in der Kirche erleben meine Kolleginnen und Kollegen genau wie ich selten Beifall. Leider trauen sich viele Menschen nicht, in der Kirche zu applaudieren, wenn Worte sie mitten ins Herz getroffen haben.

Bei Reden in Festhallen oder Kongresssälen ist das anders, da gibt es Beifall, manchmal auch Buh-Rufe und Pfiffe.

Jeder Mensch braucht Bestätigung. Das ist der Kraftstoff, der einen weiter forschen lässt. Ohne die Bestätigung durch andere fällt das viel schwerer. Wir Menschen brauchen Lob oder eben Beifall. Mit diesem Beifall können Menschen immer weiter kommen, er spornt uns an, nach neuen Herausforderungen zu suchen.

Allerdings gibt es auch Menschen, die nur in sich selbst verliebt sind und die alles nur aus dem einen Grund tun: Dass sie Beifall bekommen. Solche Menschen nennen wir auch Narzissten. Ihr Handeln führt sie nicht weiter, sie kreisen immer nur um sich selbst.

Der englische Essayist und Aphoristiker Charles Caleb Colton, der von 1780 bis 1832 lebte, hat zu diesem Thema den Satz geprägt: Der Beifall ist der Ansporn vornehmer Geister, das Ende und Ziel der kleinen.

Wer also nur wegen des Beifalls irgendetwas tut, der wird nicht weiter kommen, sondern ganz schnell am Ende sein.

Wenn wir mit unserem Chor und Orchester den Beifall bekommen, dann ist für uns klar: Das nächste Mal wollen wir noch besser sein. Dafür proben wir. Heute Abend wieder. Ich freue mich drauf.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24365
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