SWR1 3vor8

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Pfingstmontag A (Joh 16,13a)

Wir haben sie also doch nicht - die ganze Wahrheit. Wie auch? Wo wir uns dauernd darum streiten, wer Recht hat. Geradeunter den Religionen ist das ein Dauerthema. Trotzdem kommen wir nicht weiter mit diesen Fragen: Wie ist Gott? Wozu bin ich auf der Welt?  Der Mensch ist dafür einfach zu klein. Er versteht nicht alles. Sondern immer nur einen Teil. Deshalb heißt es im Johannesevangelium: Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. (Joh 16,13a). Heute, am Pfingstmontag, wird über diesen Vers in den katholischen Gottesdiensten nachgedacht. Wenn bei einem die Wahrheit zu finden ist, dann bei Gott. Weil er vollkommen ist, absolut, und nicht begrenzt wie wir. Wenn er Gott ist, dann kennt er jeden Menschen - jede Kleinigkeit, den letzten Winkel meiner Person, auch das, was ich lieber verstecken würde. Gott weiß wirklich, wie es auf unserer Welt aussieht. Er weiß, dass Waffengeschäfte  nicht dem Frieden dienen können, und wüsste Rat, was stattdessen sinnvoll wäre. Er sieht, wie weit sich das Klima auf unserem Planeten bereits verändert hat; ihm kann man nichts vormachen, wie weit wir Menschen da hinein verwickelt sind und wer Schuld auf sich lädt. Gott kann man nicht täuschen, wenn einem seiner Geschöpfe ein Leid angetan wird: sei es in Syrien, wo Kinder am meisten unter dem Krieg leiden; oder wenn Tiere gequält werden, weil die massenhafte Haltung kostengünstiger ist. Gott kennt all diese schrecklichenWahrheiten. Und es scheint, als wolle er helfen, dass auch wir sie sehen können. Dazu schickt er seinen Geist. Das bedeutet Pfingsten. Das meint die Bibel, wenn sie vom Geist der Wahrheit spricht, der aller Welt zur Verfügung steht.

Wie das geht? Ich kenne drei Schritte, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe. Zuerst muss ich offen sein, empfangsbereit, und zwar für Dinge, die ich nicht schon kenne. Wenn ich mir über eine Frage eine abschließende Meinung gebildet habe und meine, ganz sicher zu sein, dann hat es der Geist schwer, der uns an die ganze Wahrheit annähern will. Also: Keine Denkverbote und immer offen sein für Neues. Im zweiten Schritt muss ich üben zu unterscheiden: Welche Informationensind zuverlässig und glaubwürdig. Und wie gehe ich damit um, was ich höre und erfahre? Es ist gut, wenn ich dazu im Laufe der Zeit möglichst viele Erfahrungen sammle. Und diese dann - ohne Tabus - mit anderen bespreche, mich austausche, meine Informationen mit denen anderer abgleiche. Das ist der dritte Schritt. Und mit dem komme ich zeitlebens an kein Ende. Denn das weißich: Der Geist Gottes ist da. Ihn zu suchen und mit seiner Hilfe Stück für Stück etwas von der Wahrheit zu finden, das ist ein Lebenswerk.

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