Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Claudia Urbschat-Mingues hat seit ihrer Kindheit Probleme mit ihrer Stimme: Weil ihre Stimmbänder nicht richtig schließen, klingt ihre Stimme immer heißer und rau. Das war schlimm für sie. Claudia Urbschat-Mingues wollte nämlich gerne Sängerin werden, aber alle Gesangslehrer schüttelten nur den Kopf. Und als sie nach dem Abitur auf die Schauspielschule wollte, hieß es dort: „Also mit der Stimme können Sie nicht einmal Lehrerin werden“.

Dann hat Claudia Urbschat-Mingues von einer Logopädin einen Rat bekommen: „Die Stimme ist kaputt“, hat die Logopädin gesagt, „das kann man nicht ändern. Aber man kann damit umgehen lernen“.

Ein richtig guter Ratschlag, finde ich. Nicht nur für Claudia Urbschat-Mingues, sondern für jeden, der mit einer Schwäche zu kämpfen hat. Ändern wollen, was man nicht ändern kann, kostet eine Menge Kraft, bringt aber nichts. Wenn ich akzeptiere „Das ist einfach so. Das kann ich nicht ändern. Das sind meine Grenzen“ ist das schon ein erster Schritt. Aber dabei sollte man nicht stehen bleiben. Ändern kann man die Schwäche nicht, aber man kann damit umgehen lernen. Meine Schwächen zeigen mir meine Grenzen auf. Da geht es nicht weiter. Aber ich kann stattdessen schauen, was innerhalb meiner Grenzen möglich ist.

Als Christ glaube ich, dass Gott mir mein Leben geschenkt hat. Geschenke sind was tolles. Gott hat jedem Menschen eine Menge Möglichkeiten und Stärken mitgegeben. Aber die Gefahr ist, dass vieles davon unbeachtet bleibt, weil ich mich an meinen Schwächen abarbeite. Dabei ist es doch viel sinnvoller, wenn ich entdecke und nutze, was Gott mir geschenkt hat, als mich über das zu grämen, was er mir nicht geschenkt hat. Dann kann es sogar sein, dass sich eine vermeintliche Schwäche als Stärke herausstellt.

So war es bei Claudia Urbschat-Mingues. Sie hat den Rat ihrer Logopädin befolgt. Sie hat akzeptiert „Laut sprechen oder singen kann ich nicht“. Aber sie hat gemerkt: „Mit einem Mikrofon geht es ganz gut“. Und sie hat herausgefunden, dass ihre kaputte Stimme einen besonderen Klang hat, der sie von anderen Stimmen unterscheidet. Sie ist Synchronsprecherin geworden – eine sehr gefragte. Unter anderem ist sie die deutsche Stimme von Angela Jolie. Sie spricht das Nilpferd aus dem Film Madagaskar. Und sie begrüßt die Zuschauer in der ARD jeden Abend mit den Worten: „Hier ist das erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau“.
„Mein Potential“, sagt sie, „ist meine kaputte Stimme und dass ich meine Grenzen kenne“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24319
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