Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

‚Ich muss abnehmen!’ Das sagen etwa 40 Prozent der Frauen in Deutschland, ein Dauerthema, von dem viele Zeitschriften ganz gut leben. Aber hätten Sie gedacht, dass das auch schon wörtlich in der Bibel steht? Ja, im Ernst. „Ich muss abnehmen“ das hat einer gesagt, der’s sonst nicht so damit hatte, gut auszusehen und Eindruck zu machen durch eine smarte Erscheinung. Und, man ahnt es, auch das Wort vom Abnehmen hat er nicht so gemeint, wie wir heute, wenn wir seufzend sagen ‚ich muss abnehmen’.

Es geht um Johannes den Täufer. Er sollte das Volk Israel darauf vorbereiten, dass jetzt der Messias kommt, auf den es seit Jahrhunderten schon gewartet hatte. Johannes nahm seinen Auftrag sehr ernst. Er hat gepredigt und gemahnt und die Menschen aus ihrem Alltagstrott wach gerüttelt. Er konnte das offenbar sehr überzeugend, denn bald schon dachten die Menschen, er selbst sei der Messias und wollten ihm nachfolgen. Das muss er klarstellen, in aller Deutlichkeit. Und so enttäuscht er seine Anhänger und alle, die ihn als Hoffnungsträger feiern, und sagt: Ich bin nicht der, für den ihr mich haltet. Es geht um einen anderen, und dem muss ich Platz machen. Und dann fällt der Satz: Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. (Johannes 3,30)

Was für eine Größe muss man haben, um sich vom eigenen Erfolg nicht berauschen zu lassen? Um der Eitelkeit zu widerstehen und den tausend kleinen Eitelkeiten, die jeden Tag gefüttert und geschmeichelt sein wollen?

Ich denke an die Mutter, die eine sehr schöne Frau war und jetzt erlebt, wie die Tochter ihr immer mehr die Schau stiehlt. Ich denke an den erfahrenen Kollegen, der es akzeptieren kann, dass ein junger ihn überholt und besser ist. Ich denke an die Frau in der Gemeinde, die immer das tut, wofür gerade niemand sonst da ist; oft räumt sie auf und bringt den Müll weg.

Und ich denke auch an mich. Jetzt, wo ich älter werde, will ich lernen, mich selbst nicht allzu wichtig zu nehmen. Raum zu geben. Mich nicht für unersetzbar zu halten. Eben: abzunehmen, damit andere wachsen können. Und ganz nebenbei lerne ich dadurch auch, leichter zu leben und humorvoller zu werden.

 

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24290
weiterlesen...