SWR1 Begegnungen

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Fest Christi Himmelfahrt

„ meint Unterbrechung. Meint auch Innehalten!“ 

Ich treffe mich mit Claudia Sticher. Sie ist Theologin und Referentin
im Bischöflichen Ordinariat im Bistum Mainz. Sie ist Autorin und hat schon einige Bücher veröffentlicht. Die Bibel hat es ihr in besonderer Weise angetan.  Wir treffen uns, um uns über den heutigen Feiertag „Christi Himmelfahrt“ auszutauschen. Warum geht es an diesem Feiertag?

Jesus muss seine Jünger, muss die Erde wirklich erst verlassen und ganz in den Himmel zu seinem Vater gehen, damit er von dort aus wirken kann.     

Foto: Harald Opitz privat 

Man könnte sagen: Die Tag von Himmelfahrt bis Pfingsten sind heikle Tage, nämlich eine Zeit noch ohne den Geist, ohne den Beistand, wo Kirche noch nicht komplett erlebt werden kann.

Als die Jünger – so steht es in der Bibel – davon hören, dass Jesus weggehen möchte, „in den Himmel auffahren wird“, können sie das nicht verstehen.  Ihre Reaktion auf diesen Wunsch ist für Claudia Sticher völlig normal.

Das ist ja der Wunsch der Jünger, dass der Herr bei ihnen bleibt. Aber er muss ja ganz und gar gehen, und so kann seine Botschaft dann weitergehen. Wenn er die Grenze von Raum und Zeit auf diese Weise hinter sich lässt.

Nach Ostern, also noch vor seiner Himmelfahrt, erscheint Jesus den Jüngern immer wieder. Nach seinem Tod am Kreuz waren seine Anhänger niedergeschlagen und mutlos geworden. Die Begegnungen mit dem auferstandenen Jesus richtet sie wieder auf. Und jetzt soll Jesus einfach wieder gehen, und zwar endgültig?

Die Jünger brauchen diese Zeit, um zu verstehen, dass Jesus wirklich lebt, wenn er ihnen noch erscheint. Aber dann muss er wirklich auch ganz gehen. Und so können wir sagen: Himmelfahrt ist für die Jünger der endgültige Abschied vom irdischen Leben Jesu.

Abschiednehmen tut weh.  Das macht diesen Feiertag „Christi Himmelfahrt“ so schwierig. Dann macht mich Claudia Sticher in unserem Gespräch auf etwas Wichtiges aufmerksam.

Die Jünger erkennen en Auferstandenen nach Ostern, und sie erkennen ihn ganz besonders an seinen Wunden. Es ist immer noch sein Leib, es ist auch immer noch sein geschundener Leib, aber der ist verklärt. Und wenn dieser ganze Mensch mit der Lebensgeschichte, mit den Wunden, mit allem, was da war, jetzt ganz zu Gott geht, dann ist damit auch die Menschheit bei Gott.

Claudia Sticher formuliert hier die Hoffnung, wie Jesus auch „in den Himmel aufgenommen zu werden“. Auch das feiern wir als Christen an Christi Himmelfahrt. Es geht um uns.

Das finde ich am Christentum und an diesem Feiertag so wichtig zu sagen: Es geht um den Menschen in seiner ganzen Leiblichkeit und mit seiner ganzen Lebensgeschichte. Und der wird aufgenommen.

„Man darf etwas nicht festhalten für alle Ewigkeit!“

Claudia Sticher  ist Theologin und Buchautorin und arbeitet als Referentin beim Bistum Mainz. Christi Himmelfahrt, das ist nicht nur etwas für Theologen und für Wissenschaftler. Dieser Feiertag lockt ins Freie und sucht die Gemeinschaft.

Die wichtigsten Kindheitserinnerungen sind Radtouren am Main, also ich wohne direkt am Main. Dann gingen Radtouren bis nach Seligenstadt, und ehrlich gesagt war manchmal das Eisessen sogar wichtiger als in die altehrwürdige Basilika zu gehen.

Claudia Sticher ist 46 Jahre alt und lebt in Offenbach am Main. Der christliche Glaube wurde im elterlichen Haus grundgelegt. Die christlichen Feiertage wurden festlich begangen.  Sie erinnert sich, 

…dass ich über Christi Himmelfahrt das erste Mal alleine auf einen Katholikentag fahren durfte. Das war dann sehr schön, diese große Glaubensgemeinschaft zu erleben.

Zu den Traditionen vor Christi Himmelfahrt gehören Prozessionen durch Land und Feld.

Man trifft sich an einem Wegkreuz in den Feldern und betet und bittet um eine gute Ernste. Da gehören feste Psalmen dazu und ein Segen über die Felder. Ich finde es sehr schön, dass viele Menschen wieder dieses Bewusstsein haben. Wir sind abhängig von der Natur, und es ist nicht selbstverständlich, dass Jahr für Jahr eine gute Ernte kommt, dass es um ein Gelingen geht, das der Mensch letztlich nicht in der Hand hat.

Unterwegs sein – aber mit Bollerwagen, kühlen Getränken und mit Freunden. Christi Himmelfahrt ist für viele einfach nur noch der Vatertag. Das weiß auch Claudia Sticher.

Mit den ganzen alkohol-getränkten Ausflügen kann ich weniger anfangen. Ein letzter Rest, den man festhalten kann: Wenn eine Gesellschaft an ein und demselben Tag frei hat, dann ist das immer noch etwa, was Gemeinschaft stiftet.  Letztlich müssen wir ehrlich sein, die kirchlichen Feiertage werden von immer weniger Menschen sehr tief und sehr aktiv begangenen. Dennoch glaube ich, dass sie die Kultur prägen.

Ob man die christlichen Feiertage dann nicht besser abschaffen sollte, frage ich Claudia Sticher. Das will sie nicht.

Feiertag meint Unterbrechung. Meint auch Innehalten. Meint, mit Gruppen, Freunden, Kreisen etwas unternehmen zu können. Es gehört auch der Gottesdienst dazu  oder einfach in schwächerer Form Gott einmal die Ehre zu geben, weil ich Zeit habe für andere Fragen, weil ich nicht an die Arbeit denken muss. Das gehört zum Feiertag mit dazu.

Der Feiertag Christi Himmelfahrt unterbricht den Rhythmus der Woche. Er steht für Veränderung, er steht dafür,

Dass man da unterwegs ist, dass es nicht bei der Versuchung bleiben kann wie es die Jünger am liebsten hätten: Lasst uns 3 Hütten bauen. Lasst uns den Moment für alle Ewigkeit festhalten. Sondern dass man unterwegs ist, dass man sich auf den Weg macht, dass man noch nicht da ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24216
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