SWR1 3vor8

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Vierter Sonntag der Osterzeit A (Joh 10,1-10) 

Kennen Sie das auch: dass Ihnen der Geruch eines Menschen unangenehm ist? Weil er seine Zähne nicht geputzt, kein Deo benützt oder sich einfach längere Zeit nicht gewaschen hat. Das Gegenteil kann aber auch der Fall sein: Jemand hat so viel Parfüm oder Haarspray aufgetragen, dass es mir regelrecht die Luft zum Atmen nimmt. Vielleicht bin ich da besonders empfindlich, aber ich halte das kaum aus, und hoffe dann, so schnell wie möglich Abstand zu gewinnen.

Was nicht immer möglich ist. Als Pfarrer komme ich manchmal in schlecht gelüftete Räume, wenn ich einen Hausbesuch mache. Ich habe mit Bettlern und Obdachlosen zu tun, die ihren eigenen Geruch mitbringen. Altenheime und Kliniken haben ihre besondere Welt der „Düfte“. Das weiß ich schon vorher, wenn ich dorthin gehe, und kann mich darauf einstellen. Es ist dann auch nicht schlimm. In diesen Fällen kann ich meine Geruchswahrnehmung ziemlich gut ausblenden und bin frei für das, was ich tun will: Zuhören, trösten, erzählen, vielleicht ein Lied singen und eine Hand halten.  

Papst Franziskus hat ein Wort geprägt, an das ich in diesem Zusammenhang stets denken muss: Seid Hirten mit dem „Geruch der Schafe“, (...), Hirten inmitten ihrer Herde.[1]Viele kennen dieses Bildwort inzwischen. Es ist beinahe zu einem geflügelten Wort geworden, weil es für diesen Papst und seine Menschlichkeit so typisch ist. Und weil es so treffend ist, wenn es um Seelsorge geht. Ohne menschliche Nähe funktioniert sie nicht. Wer für andere da sein will, kann das nicht aus der Distanz. Seelsorge braucht Tuchfühlung. Der andere muss mich berühren können. Und umgekehrt muss auch ich ihn berühren wollen. So weit, so klar. Aber der Papst geht mit seinem Gedanken vom Geruch der Schafe noch einen Schritt weiter. Ihm geht es nicht nur um die professionelle Begegnung, den kurzen Moment der Hilfe. Er denkt an eine dauerhafte Nähe, ein Zusammenleben von Mensch zu Mensch. So wie er es versucht, indem er nicht allein in den päpstlichen Palast eingezogen ist, sondern im Gästehaus des Vatikan wohnt, mit anderen Menschen zusammen. Ich vermute, dabei hat er das Bild vom guten Hirten und seiner Herde vor Augen, das an diesem Sonntag in der katholischen Kirche im Mittelpunkt steht: Der Hirte ruft die Schafe, die ihm gehören einzeln beim Namen und führt sie hinaus. (...) Und die Schafe folgen ihm, denn sie kennen seine Stimme.[2]Mit der Zeit nehmen Schafe und Hirte den gleichen Geruch an, weil sie sich kennen, weil ein Vertrauensverhältnis entsteht. Das ist ein schönes Bild fürs Zusammenleben. Aber auch ein anspruchsvolles. 


 

[1] Papst Franziskus, Predigt in der Chrisam-Messe, Gründonnerstag 28.3.2013.

[2] Joh 10, 3f.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24192
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