Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Manchmal bin ich von Kuno, meinem Hund, restlos beeindruckt. Es war auf einer langen Zugfahrt. Das Abteil war voll und es gab wenig freien Platz. Für die Mitreisenden nicht und für meinen Hund schon gar nicht. Es war viel Betrieb. Gepäck musste verstaut und wieder heraus genommen werden. Der Schaffner kam und das Servicepersonal vom Bordrestaurant. Unentwegt war einer auf dem Weg zur und von der Toilette. Kuno hat das aber gar nicht geniert. Innerhalb weniger Augenblicke hatte er einen Platz zu meinen Füßen eingenommen und dort blieb er, zwei, drei Stunden, ohne einen Mucks. Es war unübersehbar: Er hatte sich auf sich selbst zurückgezogen. Eingekapselt in seinen persönlichen Schutzraum. Wie in einen Kokon.

Ich wünsche mir, dass ich das auch kann. Die Welt um mich herum ausblenden, sie für eine bestimmte Zeit vergessen. Ruhe finden mitten im Trubel all dessen, was um mich herum geschieht. Da im Zug ist so vieles, was mich anstrengt: Einer telefoniert so laut, dass ich jedes Wort verstehe. Ein anderer packt sein Essen aus und ich muss den Geschmack mitriechen. Das Verbindungsglied zwischen den Abteilen quietscht unerträglich. Überall gibt es solche Störungen. Und am meisten wohl strengt mich oft meine eigene Unruhe an: wenn ich laut bin und es nicht sofort merke, wenn ich vor Ungeduld innerlich schier platze, wenn ich mich über etwas ärgere anstatt es zu ignorieren.

Kuno, mein Hund, liegt ruhig da. Ihn scheint das alles nichts anzugehen. Vor ein paar Augenblicken war er noch ungestüm und in höchster Anspannung. Jetzt ist ihm alles egal. Ich stelle mir vor, dass das unerhört entspannend ist. Ich brauche dann von mir aus nichts zu unternehmen. Und ich muss auch auf nichts reagieren. Für eine bestimmte Zeit bin ich weg, der Welt abhanden gekommen. Und mir selbst auch.

Ob ich das lernen kann, mich so abzukapseln? Es gibt ja jede Menge Entspannungstechniken, autogenes Training und ähnliches. Alle Religionen kennen Übungen, um sich zu versenken, um zu meditieren und beim Gebet sich so auf Gott zu konzentrieren, dass man sich selbst vergisst. Mir ist das nie besonders leicht gefallen. Leider. Aber jetzt habe ich neuen Antrieb, weil ich mit meinem Hund ein so inspirierendes Vorbild habe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24184
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