Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Mein Sohn hat das falsche Geschlecht!“ hat mir eine Frau erzählt. Unsere Kinder waren vor 20 Jahren zusammen zur Schule gegangen, dann haben wir uns aus den Augen verloren. Nun habe ich sie zufällig wieder getroffen und mich nach dem ehemaligen Schulkameraden erkundigt. Da hat sie das gesagt: „Mein Sohn hat das falsche Geschlecht.“ Und erklärt: „Er hat sich um verschiedene Stellen beworben. Aber es werden immer die jungen Frauen genommen. „Bei gleicher Eignung werden bevorzugt Frauen eingestellt“, hieße es oft schon in der Stellenausschreibung. Deshalb sei  ihr Sohn bisher nicht zum Zuge gekommen, meint sie.

Ich verstehe die Frau. Aber ich habe mich gefragt, ob sie wohl genauso empört wäre, wenn man ihre Tochter nicht einstellt, weil eine junge Frau womöglich schwanger werden könnte und dann „ausfällt“  für den Arbeitgeber?

„Bei gleicher Eignung werden Frauen bevorzugt eingestellt“ – Eigentlich merkwürdig, dass es solche Regelungen braucht. „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ steht immerhin in unserem Grundgesetz. Und am 3. Mai 1957, also heute vor 60 Jahren hat der Bundestag die gesetzliche Gleichstellung von Männern und Frauen beschlossen. Wer gleichberechtigt ist, sollte auch faktisch gleich behandelt werden.

Aber das ist in den Köpfen der Menschen scheinbar noch nicht angekommen. Kein Wunder eigentlich, wenn es „Geschichten für Jungs zum Lesenlernen“ gibt, in denen sich Astronauten, Piraten und Polizisten tummeln, während in den „Geschichten für Mädchen zum Lesenlernen“ vom selben Kinderbuchverlag eine rosa gekleidete Prinzessin ein Pferd streichelt. Was lernen die Jungen und Mädchen da über ihr Leben?

Nun sagen manche, die Rollenunterschiede zwischen Männern und Frauen seien naturgegeben oder sogar gottgegeben. Ich glaube das nicht. Jesus hat Frauen und Männer um sich geschart. Und auch in den ersten christlichen Gemeinden gab es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen (Gal 3, 28).

Zugegeben, das hat sich sehr schnell geändert und die Frauen sind auf Haus und Familie festgelegt worden. Aber wäre es nicht Zeit, dass wir das in unseren Köpfen zurechtrücken? Männer und Frauen sind gleich gestellt. Sie haben Fähigkeiten für die gleichen Posten und Karrieren – im Beruf und in der Familie. Für die Rolle in der Familie, für Fürsorge und Zuwendung hat keine und keiner das falsche Geschlecht. Ich kenne kleine Kinder, die sagen als erstes Papa. Auch weil der Papa sich so selbstverständlich und mit großer Gelassenheit um sie kümmert. Ich finde, auch das ist Gleichstellung von Männern und Frauen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24154
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