Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Heiraten ist spießig“ hat mir ein junger Mann gesagt. Seit Jahren lebt er mit seiner Freundin zusammen, inzwischen haben sie ein Kind und sie denken an ein zweites.

„Heiraten ist spießig“ – ich frage mich, was das bedeutet: spießig. Die beiden haben zu Ostern Eier ausgepustet und bemalt mit ihrem Kind. Zu Weihnachten haben sie Plätzchen gebacken. Am Samstag fahren sie bei gutem Wetter mit dem Fahrrad vor die Stadt, sonntags brunchen sie gern mit Freunden. Und ab und zu besuchen sie Oma und Opa.

Spießig ist das für sie anscheinend nicht. Ich habe im Wörterbuch nachgelesen, was spießig bedeutet. Da stand: angepasst, engherzig, kleinkariert, engstirnig, pedantisch. Das sind die jungen Leute gewiss nicht. Aber wieso ist Heiraten spießig? Ist Heiraten engherzig, pedantisch oder angepasst? Ist es inzwischen nicht eher angepasst, wenn man nicht heiratet, so wie die meisten jungen Leute? Wäre etwas anders zwischen ihnen, wenn sie verheiratet wären?

Wahrscheinlich nichts. Vielleicht fragen Sie jetzt: Warum sollten sie dann heiraten, wenn sich gar nichts ändert? Das ist eine berechtigte Frage, ich frage trotzdem zurück: Warum sollten sie nicht? Warum mögen sie nicht öffentlich und für alle hörbar sagen und unterschreiben: Ja, ich will mit dir leben und bei dir bleiben und dich lieben und ehren? Warum wollen sie nicht ein Fest feiern, weil sie den Menschen gefunden haben, der ihnen das verspricht?

Warum wollen sie das alles nicht und sagen deshalb: Heiraten ist spießig? Dass sie Angst davor haben, sich zu binden, das kann es ja eigentlich nicht sein – spätestens seit sie ein Kind haben. Für ihr Kind wollen sie ja gemeinsam sorgen.

Was kann es sein? Ob es die Angst vor der Verantwortung für den anderen Menschen ist? Wenn ich heirate, muss ich mich dann verantwortlich dafür fühlen, dass unsere gemeinsamen Pläne sich verwirklichen lassen?

Ich finde, gerade diese Angst wäre eigentlich ein Grund, zu heiraten. Denn wenn Menschen durch ihre Heirat bekannt geben, dass sie füreinander verantwortlich sein wollen, dann unterstützt sie der Staat mit allerlei Vorteilen. Dafür braucht es eine Art Bestätigung, dass das Paar wirklich zusammengehört und zusammen bleiben will. Das ist der Trauschein.

Und wenn die jungen Leute in der Kirche heiraten möchten, dann können sie um Gottes Segen bitten. Gott steht denen bei, die Verantwortung füreinander spüren. Dass es viele gute Tage gibt. Und dass die schweren Tage nicht zu schwer werden. Darum kann man Gott bitten. Und sich auf ihn verlassen. Ich finde das nicht spießig. Oder wie sehen Sie das?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24153
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