Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Sich umarmen: In der Familie oder unter Freunden ist das üblich. Ich empfinde es als angemessen und gut, wenn die Atmosphäre dazu stimmt. Ich umarme gerne Menschen, denen ich mich nahe fühle und mit denen ich verbunden bin. „Umarmen ist gesund. Es unterstützt das Immunsystem des Körpers, es vermindert Stress und fördert gesunden Schlaf“, sagen die Forscher. Ich kann das nur bestätigen: Der Vater einer Kollegin ist im vergangenen März verstorben. Er war schon betagt. Trotzdem hat sie der Verlust sehr mitgenommen. Als wir zu dritt in der Teeküche standen und sie erzählt hat, wie es ihr, ihrer Schwester und ihrer Mutter jetzt geht, hat sie geweint. Es wurde still und weder mein Kollege noch ich fanden jetzt passende Worte. Da hat sie mein Kollege einfach in den Arm genommen. Anschließend habe auch ich mein Mitgefühl mit einer Umarmung ausgedrückt. Später hat sie sich dafür bedankt und gesagt: „Danke, dass ihr versucht habt, mich zu trösten, ohne viel drum herumzureden.“ Umarmen kann aber auch Freude ausdrücken: Ich habe nach mehreren Jahren einen alten Kollegen getroffen. Wir haben uns umarmt, gefreut uns wiederzusehen. Als Arbeitskollegen haben wir uns höchstens mal die Hand gegeben, wenn überhaupt. Heute haben wir uns umarmt, und uns beiden fiel auf, wie gut das tut. Ähnlich ging es mir letzte Woche. Zufällig bin ich einem meiner Lehrer begegnet. Wir haben uns erkannt, angelächelt. Ich habe ihm ganz förmlich die Hand zur Begrüßung hinhalten wollen, doch er hat mich einfach herzlich in den Arm genommen, wie einen alten Freund. Das hat mich überrascht, aber es war nicht unangenehm, im Gegenteil. Ich habe ihn als Lehrer sehr geschätzt. Damals wäre es übergriffig gewesen, jetzt hat mir seine Umarmung gut getan. „Wir brauchen vier Umarmungen pro Tag um zu Überleben. Wir brauchen acht Umarmungen pro Tag zur Erhaltung. Wir brauchen zwölf Umarmungen pro Tag zum Wachsen.“ sagt die Familientherapeutin Virginia Satir. Zwölf Umarmungen pro Tag erscheint mir viel, aber da ist was dran. Umarmen heißt: Andere sehen und berühren. Es bestätigt. Es zeigt mir, dass ich nicht alleine auf der Welt bin. Umarmen ist ein Geschenk, das ich immer und überall geben kann. Die meisten werden sagen: „Ich kann doch andere nicht einfach in den Arm nehmen.“ Sind sie sicher?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24082
weiterlesen...