Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir“- Heute ist der Jahrestag dieses Satzes. Am 18. April 1521  soll Martin Luther das gesagt haben, in Worms vor dem Reichstag. Kaiser Karl V hatte ihn geladen, damit er seine reformatorische Lehre widerrufen sollte.

Luther war aber der Überzeugung, dass ein Mensch in erster Linie Gott verantwortlich ist. Und sich erst in zweiter Linie vor den staatlichen und kirchlichen Autoritäten verantworten muss. Doch so etwas zu behaupten, das hatte damals echte politische Sprengkraft. Es stellte die Autoritäten in Frage und ihre Macht über die Untertanen im Staat und in der Kirche.  

Luther hat nicht widerrufen. Er war der festen Überzeugung: Ein Gewissen kann niemandem untertan sein. Es ist frei. Nur Gott gegenüber muss ein Mensch Rechenschaft ablegen. Das persönliche Gewissen eines Menschen hat absoluten Vorrang vor allen Ordnungen, die Menschen sich geben. Menschen können sich irren. Sie können falsche Entscheidungen treffen und nicht alle Folgen ihrer Entscheidungen wirklich gut genug abschätzen.

Gott helfe mir. Manche Politiker sagen das bis heute beim Amtseid. Zum Beispiel der neue Bundespräsident Frank Walter Steinmeier. Das ist mir aufgefallen, weil ich darauf geachtet habe, wie er wohl seinen Amtseid beenden wird. „So wahr mir Gott helfe.“ - Ich weiß, Politiker müssen diesen Satz nicht sagen. Das ist im Grundgesetz ausdrücklich so festgelegt. Glaubens- und Gewissensfreiheit  ist in Deutschland ein äußerst hohes Gut.

Darum höre ich jedes Mal auch genau hin, was eine Politikerin oder ein Politiker sagt beim Amtseid - oder eben weglässt. Es interessiert mich, was ihr Gewissen bei großen und wichtigen Entscheidungen leiten wird. Und woher sie die Kraft nehmen zu protestieren, wenn ihr Gewissen einmal „nein“ sagen sollte, bei einer politischen Entscheidung.

Luther zu seiner Zeit war der Meinung, um solche Gewissensentscheidungen muss man ringen, immer wieder, mit allen Kräften der Vernunft und mit allem, was man aus den biblischen Schriften an Orientierung und Hilfe bekommen kann. Und kritisch sich selbst gegenüber, weil man sich ja auch irren kann.  Darum der Zusatz  „Gott helfe mir“. Er bedeutet, ich tue, was ich kann. Und ich mache es, so gut es nur geht. Doch für das, was nicht in meiner Macht liegt, dafür brauche ich den Segen Gottes. Das ist mir bewusst. Und darum bitte ich, so wahr mir Gott helfe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24054
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