SWR1 Begegnungen

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„Karfreitag unter dem Blickwinkel von Ostern betrachten“

Ich treffe mich mit Udo Bentz, Weihbischof der Diözese Mainz seit September 2015. Heute ist Karfreitag, ein Feiertagtag, der für viele Menschen eben ein freier Tag ist, der zu Freizeitaktivitäten einlädt.
Nicht so für Udo Bentz. Für ihn ragt der Karfreitag aus dem Reigen der sonstigen  kirchlichen Feiertage hervor.

Karfreitag ist ein ganz besonderer Feiertag, der sich unterscheidet von den anderen Feiertagen. Wir feiern das Leiden und das Sterben Jesu. Das ist in sich schon etwas eigenwillig, ein Leiden und ein Sterben zu feiern, das macht aber den besonderen Charakter dieses Feiertages aus.

Das ist ein stiller Tag, es ist für Katholiken ein Fasttag, aber auch in der Gesellschaft ist es eigentlich ein stiller Tag.

Eigentlich ein stiller Tag. Der Karfreitag wird so zu einem Tag, der davon lebt, was der Einzelne daraus macht. Das Geschehen von vor 2000 Jahren ist bekannt, und für Weihbischof Udo Bentz kommt es heute darauf an,

…die Passion Jesu so anzuschauen: Wo ist  eigentlich in diesem Geschehen von damals mein Platz? Wo würde ich mich da einordnen? Bin ich in einer gewissen Sicht Zuschauer, schaue zu, wie Menschen leiden, bin dabei hilflos oder untätig? Bin ich Betroffener von Leid, kann mich in die Situation Jesu hineinversetzten? Oder ich versetze mich in die Rolle der Täter, derjenigen, die Leid zufügen, die Menschen leiden lassen?

Fragen, die das damalige historische Ereignis zum persönlichen biblischen Drama auch heute machen können. Karfreitag ist für Udo Bentz existentiell im wahrsten Sinne des Wortes. Leiden und Tod Jesu betreffen ihn als Mensch. Wie kann er mit all diesem Leid und all dem Blut des Karfreitags klarkommen, frage ich ihn, als wir uns in Mainz zu unserem Gespräch treffen.

Wir betrachten das immer unter dem Blickwinkel von Ostern, dass der Karfreitag nicht das Letzte ist, sondern dass der Karfreitag der Durchgang zu neuem Leben ist, das  Jesus uns an Ostern schenkt. Durch die Auferstehung bekommt dieses Leiden, dieses sinnlose Sterben eine Richtung und eine Hoffnung, die in Leiden allein nicht in den Blick zu nehmen ist.

Karfreitag kann konkret werden, auch heute.

Wo ich von guten Freunden durch eine unheilbare Krankheit so erschüttert und angerührt war, das ich meine ganze Hilflosigkeit darin gespürt habe. Ich glaube, das ist eine Karfreitagserfahrung.

Warum in seiner Jugend an Karfreitag die Glocken nach Rom geflogen sind, und warum Udo Bentz glaubt, dass kirchliche Feiertage einer Gesellschaft gut tun, dazu mehr nach dem nächsten Titel.

„An Karfreitag fliegen die Glocken nach Rom!“

Udo Bentz ist Weihbischof im Bistum Mainz. Er ist eben 50 Jahre alt geworden, steht – wie man so sagt – mitten im Leben. An Karfreitag, da erinnert er sich an seine Kindheit und Jugend, die er in Rülzheim in der Südpfalz verbracht hat.

Man hat damals gesagt: Die Glocken fliegen weg nach Rom, d.h. an diesem Tag gibt es kein Glockengeläut, und es war bei uns auf dem Land total still, die Orgel spielt nicht in der Liturgie, die Liturgie ist sehr einfach und sehr strenge, eine sehr feierliche Liturgie.

Einfach ist der Karfreitag für Udo Bentz auch in anderer Hinsicht.

Ich esse an Karfreitag in der Regel nur ein paar Kartoffel und nen Frischkäse, nen Quark, und das ist auch gut so. Da geht für mich etwas ineinander: Der Ernst des Tages, die Tiefe der Deutung der Liturgie. Und dass ich diesen Tag für mich gestalte, einen völlig ruhigen Tag, da will ich keine Ablenkung, da bin ich viel für mich. Das ist für mich ein besonderer Tag. 

Karfreitag - das Leiden und Sterben Jesu - als Mensch, Christ und als Theologe durchleidet Udo Bentz diesen Tag regelrecht. Das spüre ich immer wieder bei unserem Gespräch. Ob er schon einmal so etwas wie einen „persönlichen Karfreitag“ erlebt habe, frage ich ihn.

Ich bin ein bisschen vorsichtig, von einem persönlichen Karfreitag zu sprechen, weil das muss schon etwas sehr Existentielles sein. Ein Karfreitag lässt ich einfach nicht in seiner eigenen Existenz mehrfach durchleben.

Udo Bentz gibt dem Begriff „Karfreitagserfahrungen“ den Vorzug, und begründet das auch:

Dies Karfreitagserfahrungen gehören unbedingt in jedes Glaubensleben mit hinein, weil ich immer wieder neu ringen muss: Ist das wirklich der liebende Gott, der auch in diesem schweren Stunden mir nahe ist?

Wir kommen in unserem Gespräch darauf zu sprechen, wie unsere Gesellschaft diesem Karfreitag begegnet. Das Verbot von Tanzveranstaltungen wird immer wieder kritisch zum Thema, Menschen nutzen den freien Tag, um den Rasen zu mähen oder die Grillsaison zu eröffnen.

Ich glaube, in einer pluralistischen Gesellschaft, in einer säkularen Gesellschaft ist das ein Erscheinungsbild, das gehört mit dazu. Umso wichtiger halte ich es, dass wir Christen das Zeichen setzen, warum es diesen freien Tag gibt, woher der kommt und warum er seinen Sinn hat.

Nicht nur der Karfreitag, alle Feiertage haben ihren Sinn. Udo Bentz fragt:

Tut es uns gut, auch als eine plurale Gesellschaft, wenn es Tage in der Gesellschaft gibt, die den normalen Lauf durchbrechen und die zumindest ein Angebot machen, aus dem üblichen Unterhaltungs-Mainstream für einen Tag auszusteigen und sich anderen Themen zuzuwenden?

Am Karfreitag geht um Leiden und Sterben. Damit umzugehen, fällt nicht leicht. Ob deshalb der Karfreitag fremd geworden ist?

Wenn diese Gleichgültigkeit gegenüber dem Karfreitag auch bedeuten würde, dass die Frage nach dem Leiden, nach dem ungerechten Leiden, nach der Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft – diese Fragen nach dem Sinn des Lebens – die Menschen nicht interessiert, dann wäre ich beunruhigt. Aber ich glaube nicht, dass das so ist.

Das tröstet Weihbischof Bentz dann doch. Dieser Trost an Karfreitag, er eint uns in einem Gespräch, das mir in guter Erinnerung bleiben wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24013
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