Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Das Kreuz – Symbol des christlichen Glaubens. Aber viele Menschen haben Schwierigkeiten damit!
Für Juden und Muslime ist es wie eine Gotteslästerung: Der allmächtige Gott braucht doch keinen Sohn, der am Kreuz stirbt, um die Menschen zu erlösen! Menschen, die nach Beweisen für Gott fragen, finden einen Gott, der am Kreuz stirbt, völlig unlogisch. Und selbst für manche Christen ist das Symbol eine Zumutung. Warum sollte Gott seinen Sohn sterben lassen – und dann auch noch für mich? Ich habe keine solche Schuld auf mich geladen, dass ein Mensch für mich sterben müsste! Das sagen viele.

Neu ist solche Kritik nicht. Schon die ersten christlichen Gemeinden mussten sich damit herum­schla­gen. Auch der Apostel Paulus. Er schreibt: „Die Botschaft vom Kreuz erscheint denen, die verlo­ren gehen als eine Dummheit. Aber für uns, die wir gerettet werden, ist sie eine Gotteskraft“ (1 Kor 1,18). Paulus weiß: Im Kreuz Christi geschieht etwas, das quer steht zur gesamten Welt.

In einem Buch bin ich auf ein Bild gestoßen, das das eindrucksvoll zum Ausdruck bringt. Es ist ein Foto der Dortmunder Reinoldi-Kirche vom Kriegsende 1945. Die Innenstadt ist völlig zerbombt. Auch die Kirche ist stark geschädigt. Wände sind eingebrochen, die Turmhaube und das Dach sind weggefegt, die Glasfenster sind zerborsten.
Aber über den Trümmern konnte man Unglaubliches sehen: ein riesengroßes Triumphkreuz, das völlig unversehrt über dem Bild der Zerstörung schwebt.

Ich stellte mir vor, wie nach Kriegsende immer wieder Menschen über den Schutt in die Reinoldikirche geklettert sind und auf das Triumphkreuz mitten in der Zerstörung geblickt haben. Manche haben vielleicht mit Gott gehadert und ihn gefragt: „Wo warst Du? Warum hast Du nicht eingegriffen?“ Aber viele Menschen sind gekommen, weil sie genau dort Gott gesucht haben – mitten in der Zerstörung, mitten im Leid, mitten in der Hoffnungslosigkeit.

Das Kreuz ist ein Symbol dafür, dass Gott da ist – mitten in unserem Leben. Auch da, wo es schwer ist. Der große Gott lässt sich herab auf die Erde. Er lässt seinen Sohn Leid, Trauer und Tod erleiden. Weil er uns zeigen will, dass er stärker ist als alle Mächte des Todes und der Zerstörung und dass er uns zur Seite steht, mir und Ihnen – gerade in den Unglücken und Mauereinstürzen unseres Lebens. Beweisen kann ich das nicht. Aber spüren auf viele Weisen: tröstlich und aufrüttelnd, heilsam und ermutigend – eben als Gotteskraft in mir.

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23954
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