SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Es ist für mich manchmal nicht so einfach gewesen, katholisch zu sein – während meiner Schulzeit in den 60er und siebziger Jahren in Leipzig. Offiziell hat man uns beigebracht, dass es Gott nicht gibt.- Damit hatte ich kein Problem, ich kann mich nicht erinnern, dadurch je Zweifel bekommen zu haben, die anderen wussten es halt nicht besser.
Was mir aber zu schaffen gemacht hat war, dass ich damals so allein mit meinem Glauben gewesen bin. Und wenn ich auf dem Weg zum Religionsunterricht ins Pfarrhaus oder sonntags zur Kirche Klassenkameraden getroffen habe, ist mir das ziemlich peinlich gewesen. Ich habe Angst gehabt, dass sie mich überheblich auslachen oder hinter meinem Rücken gemein über mich tuscheln. Wie hätte ich mir gewünscht, ein paar Gleichgesinnte an meiner Seite zu haben. Wieviel selbstbewusster hätte ich sein können und mir nicht dauernd irgendwelche Notlügen ausdenken müssen. Aber es gab ja Gleichgesinnte! Vier evangelische Mitschüler! Wie froh war ich, als ich das herausgefunden habe. Nur schade, dass wir am Sonntag nicht gemeinsam zur Kirche gehen konnten. Und auch nicht zum Religionsunterricht. Das hätte so gutgetan, in dieser atheistisch geprägten Umgebung.
Heute weiß ich: Wir gehören zusammen - das wird bei ökumenischen Gesprächen immer wieder betont. Und deshalb bin ich wie viele ungeduldig. Viele Menschen leiden unter der Trennung, besonders auch wenn katholische und evangelische Christen miteinander verheiratet sind. Auch Papst Franziskus weiß das. Er hat gesagt, dass er bereit sei Fenster und Türen zu öffnen, damit neue Wege möglich sind. Das stimmt mich hoffnungsfroh.
Denn es ist etwas in Bewegung, das spürt man besonders auch gerade jetzt, wo die Feierlichkeiten anlässlich des 500. Reformationsjubiläums in vollem Gange sind. Das ist so erstaunlich wie erfreulich, dass nach 500 Jahren Trennung Katholiken und Protestanten so viel gemeinsam auftreten wie nie zuvor: Ein neuer Wind weht. Endlich, denn in den Gemeinden gibt es schon lange ein freundschaftliches Miteinander von evangelischen und katholischen Christen, viele gemeinsame Projekte. Allein wäre manches gar nicht zu bewältigen. Papst Franziskus versteht sich als echter Seelsorger, den Menschen zugewandt. Er gibt ihnen die Möglichkeit eigenverantwortlich zu entscheiden.
Ich denke, das ist der richtige Ansatz. Und wenn sich morgen in der Hildesheimer Michaeliskirche protestantische und katholische Christen zu einem Bußgottesdienst treffen, dann wollen sie gemeinsam um Vergebung bitten. Besonders auch dafür, dass viele Menschen unter dieser Trennung der Christen leiden mussten.

Ich hoffe sehr, dass es jetzt mit Schwung weitergeht und diese Trennung Stück für Stück aufgehoben wird. Vielleicht erlebe ich sie ja noch, die Vereinigung der Christen in Deutschland.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23793
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