Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es geht mir gut. Ich habe jeden Tag genug zu essen. Ich habe eine schöne Wohnung und sogar Platz für Gäste. Jetzt im Winter kann ich heizen und jeden Tag duschen. Wenn ich krank bin, gibt es Ärzte und Kliniken in der Nähe. Meine Kinder konnten zur Schule gehen und eine Berufsausbildung machen. Meine Enkel werden das auch können, hoffentlich. Und wenn einer Probleme kriegt mit dem Lernen, dann gibt es Fördermaßnahmen.
Es geht mir gut. Ich hoffe, viele von Ihnen können das auch von sich sagen.

Natürlich gibt es immer auch Grund zur Sorge. Ich merke das Älterwerden in den Gliedern – wie soll das noch werden, wenn ich richtig alt bin? Werden meine Enkel noch gesunde Luft zum Atmen haben, gesundes Wasser zum Trinken? Das politische Klima wird rauer – in welcher Welt werden wir in 5 Jahren leben oder in 10? Die Klimaerwärmung schreitet fort – wann wird es die ersten Klimaflüchtlinge geben, die sich eine neue Heimat suchen müssen? Ich könnte noch vieles nennen, was mir Sorgen macht. Sie wahrscheinlich auch.

Und merkwürdig: Die Sorgen sind oft viel stärker als das Gefühl „es geht mir gut“. Das wird manchmal ganz zugedeckt von den Sorgen und dann packt mich die Angst.

Angst, habe ich gelesen, entsteht immer schon bevor etwas Schlimmes passiert. Wie im Krimi, wenn man noch gar nicht weiß, ob hinter der Gardine ein Bösewicht lauert oder ob es nur der Wind ist. Dann kriegt man Angst. Und Angst macht die Knie weich und die Hände zittrig und das Herz wird eng. Dann kann man nicht mehr besonnen handeln. Wenn man Angst hat, versucht man, die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Ich muss sehen, wie ich selber durchkomme, sagt man dann. Ich kann mich nicht auch noch um andere kümmern.

Manchmal denke ich: Weil die Angst haben, denen es gut geht so wie mir – deshalb kümmern sich zu wenige um die, die wirklich Hilfe brauchen.

Das war in biblischer Zeit anscheinend schon genauso. Dass die Menschen die Taten und Wunder Gottes vergessen (Psalm 78,11), das war auch damals ein Problem. Sie konnten einfach nicht sehen, wie gut es ihnen ging. Stattdessen haben sie sich beklagt, weil sie Angst hatten vor allem Möglichen. Gott kümmert sich nicht um uns, haben sie dann gesagt.

Wahrscheinlich wird deshalb in der Bibel immer wieder erzählt, dass Gott den Menschen die Augen öffnet. Damit sie seine Taten und Wunder sehen. Ich glaube, das bräuchten wir heute auch. Ich jedenfalls – immer dann, wenn die Sorgen mich überwältigen. Damit ich wieder sehe, wie gut es mir geht. Und dass es für mich eigentlich nicht schwer ist, anderen zu helfen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23784
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