SWR1 Begegnungen

SWR1 Begegnungen

„Gott lacht über uns!“

Ich treffe mich mit Hans Greifenstein, evangelischer Pfarrer und Hobby-Kabarettist. Seit 20 Jahren tritt er mit einem Pfarrerkollegen auf. Zusammen sind sie das „Erste Allgemeine Babenhäuser
Pfarrer (!)- Kabarett“.  Für Hans Greifenstein ist „Pfarrer-Sein“ der Hauptberuf,  Kabarett ist ein schönes Hobby, das ihn in der Region um Frankfurt bekannt gemacht hat. Vermischen will er beide Tätigkeiten nicht, erzählt er mir, als ich ihn in Bensheim im Odenwald besuche.

Wenn ich als Pfarrer agiere, mit dem Talar an, bin ich als Pfarrer erkennbar und mache kein verstecktes Kabarett. Wenn ich Kabarettist bin, dann habe ich mein Kabarett-T-Shirt an und keinen Talar, und dann mache ich keinen versteckten Gottesdienst. Schnaps ist Schnaps, und Dienst ist Dienst.

Dass Pfarrer Greifenstein reden kann, das merke ich schnell. Wie aus der Pistole geschossen  kommen die Antworten auf meine Fragen. Muss man sich in Kirche und Theologie gut auskennen, um sein Kabarett-Programm verstehen zu können?

Wir machen kein hoch-theologisches oder hoch-literarisches Kabarett, sondern die Leute kommen nach der Show: „Das war, wir mir’s selber kennen.“ Das ist für uns ein Lob. Das zeigt, wir bilden die Realität der Menschen ab und ziehen das durch den Kakao.

Hans Greifenstein, war der Humor sozusagen in die Wiege gelegt worden.

Ich komme selbst aus einem katholischen Ort – Seligenstadt am Main. Und hab‘ das erleben dürfen, wie der Karneval, die Fassenacht gefeiert wird. Das ist eine im Volk verwurzelte Bürgerbewegung, wo Familien sich  verkleiden, wo Vereine und kirchliche Gruppen auf die Straße gehen, viel Spaß dabei haben, Karneval zu feiern. Es ist tief in der Seele der Bevölkerung verwurzelt.

Fassenacht, Karneval, Fasnet – das gibt es ja nur in katholischen Regionen. Martin Luther habe das nicht so gern gesehen, sagt mir Pfarrer Greifenstein, und spricht dann Klartext:

Dieses grundlose Feiern - das Fressen, Saufen, Lustig sein hat den protestantischen Bürokraten nicht gefallen. Das wird als gottlos bezeichnet. Der wahre Christ – der ist ernst, der lacht nicht, der geht dazu in den Keller. Einmal im Jahr, da gibt es den Sonntag „Laetare“, da darf er fröhlich sein. Das ist einfach ne ungute evangelische Tradition , die sich über die Jahre herausgebildet hat.

Ich kenne viele evangelische Christen, die viel und gerne lachen, die sich auf Karneval, Fassenacht und Fasnet Jahr für Jahr freuen. Bei Sitzungen gehen die Redner dann auf die die Obrigkeit los, und zu der zählt eben auch die Kirche.

Die Kirche ist ne Organisation mit nem hohen moralischen Anspruch. Entsprechend hoch ist die Fallhöhe. Ein Bischof, der auf der Bananenschale ausrutscht, ist lustiger, wie wenn das ein Schlosser macht. Deswegen gibt die Kirche jede Menge Stoff für Witze her, und das hat mich auch dazu getrieben, das auf die Bühne zu bringen.

„Katholiken sind unsere zweitliebsten Prügelknaben!“

Seit 20 Jahren steht Hans Greifenstein auf der Bühne, hat CD’s und DVD’s zusammen mit einem Kollegen als  „Erstes Allgemeines Babenhäuser Pfarrer (!)-Kabarett auf den Markt gebracht. Der 60-jährige lacht über „seinen Laden“, die evangelische Kirche, aber nicht nur über sie.

Es ist kein Problem, sich selber auf die Schippe zu nehmen, das ist immer das Beste. Die zweitliebsten Prügelknaben sind die Katholiken, unsere Schwestern und Brüder in der Katholischen Kirche, aber die wissen auch, dass wir es gut mit ihnen meinen.

Mit so einem „zweitliebster Prügelknabe“ – da bin ja auch ich gemeint. Und bekenne offen: Wenn ich über die evangelischen, die Lutherischen, Witze mache, dann meine auch ich das selten  böse. Eigentlich nie. Weil auch ich es gut mit ihnen meine. - Als ich Hans Greifenstein frage, ob man auch Witze machen dürfe über Gott, dreht der den Spieß einfach um:

Gott macht Witze über uns! Der ist viel höher als wir! (…) Der entzieht sich unserer Witzkompetenz! Das ist ne ganz andere Spielklasse!

Seine eigene Spielklasse zeigt mir Hans Greifenstein mit einem kleinen Auszug aus seinem aktuellen Programm.

Kuck dir mal die Kerle an – in Dresden, machen Angst vor den Ausländern. In Dresden Angst vor Ausländer! Das musst du erst mal bringen. Es gibt ja im Vatikan mehr Sex als in Dresden Ausländer!

In diesem Jahr feiert die evangelische Kirche 500 Jahre Reformation. Deshalb wird der 31. Oktober einmalig zum Feiertag erklärt, an dem die Katholiken fröhlich mitfeiern dürfen. Doch dem Kabarettisten Hans Greifenstein passt auch da etwas nicht:

Alle finden Luther gut. Aber ich will Ihnen mal was sagen:Der Luther, der Simpel, hat die Reformation Ende Oktober gemacht. Jetzt haben wir nen Feiertag im Herbst, wo’s nass ist. Der hätte die Reformation im Sommer machen sollen, an einem Donnerstag. Da hätt’s nen Brückentag gegeben. Das wäre viel Gescheiter gewese!

„Satire darf alles“, hat Kurt Tucholsky einmal gesagt. Das stimmt nicht, sagt Hans Greifenstein, und er spricht da auch im Namen seines Kollegen Clajo Hermann:

Wir wollen keine religiösen Gefühle verletzen, unsere eigenen selbst auch nicht. Wir haben auch religiöse Gefühle. Wir machen keine Witze über das Kreuzesgeschehen, das ist etwas, wo wir nicht spotten. Es gibt Dinge, die verbieten sich für uns von selbst.

Am Samstagabend auf der Kabarett-Bühne, am Sonntagmorgen auf der Kanzel – was für ein Leben, denke ich mir. Hans Greifenstein liebt dieses Leben. Er möchte mit niemanden tauschen.

Ich empfinde mich als Glückspilz, weil es ist mir erlaubt, einen Beruf auszuüben, den ich sehr liebe und der mir ganz viel Freude bereitet, und mein Lieblingshobby auszuüben – und dafür auch noch Geld zu kriegen. Das ist einfach Glück, das muss man sagen:

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23714
weiterlesen...