Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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 „Mit Schuld ist es wie mit einem Loch im Zahn, das verschwindet nicht von alleine.“ Wir hatten das Thema „Schuld und Vergebung“  im Unterricht und ich merkte, dass die Schüler damit nicht wirklich viel anfangen konnten.

Schuld, das war für sie klar: Irgendwer ist immer schuld. Aber warum eigentlich hat Jesus immer wieder davon gesprochen, wie wichtig es ist, zu vergeben?  Dass es bei diesem Thema nicht bloß um andere geht, sondern vor allem um mich, das war den Schülern fremd.

Vielleicht, weil Vergeben  so unglaublich schwer ist? Fehler macht doch jeder – aber warum fällt es mir dann so schwer, anderen dafür zu vergeben? Jemandem, der mich enttäuscht hat, der mir etwas gesagt hat, was richtig weh tut, jemand der mich tief verletzt hat – einfach so vergeben?  Und manchmal kann ich mir nicht einmal selbst vergeben, wenn ich einen Fehler gemacht habe.

Ich habe mal gelesen, dass „Vergeben“ eigentlich „befreien“ bedeutet. Wenn ich jemanden vergebe, dann lasse ich ihn sozusagen „vom Haken “, an dem er hängt, ich befreie ihn. Das ist doch was Tolles – warum sollte mir das schwerfallen?

Weil es nicht nur um den anderen geht. Beim Vergeben geht es vor allem um mich. Wenn jemand mich verletzt hat, dann kochen in mir Bitterkeit, Wut und manchmal sogar Rachegedanken hoch. Manchmal ist diese Bitterkeit und Wut viel schlimmer als die eigentliche Verletzung. Und manchmal kommt man da alleine gar nicht mehr heraus. Das fühlt sich dann an, wie ein Loch im Zahn. Es verschwindet nicht einfach, sondern es tut mehr und mehr weh.

Jetzt sollte man doch meinen, dass ein erwachsener Mann mit Zahnschmerzen lieber heute als Morgen zum Zahnarzt geht. Aber viele nehmen stattdessen Schmerztabletten, die für den Moment den Schmerz wegdrücken – aber das Loch im Zahn bleibt.

Darum sagt Jesus: Wenn dein Bruder - oder genauso deine Schwester - an dir schuldig geworden ist, dich also verletzt hat, dann gehe hin und versöhne dich mit ihr. Lass sie vom Haken befreie sie und befreie vor allem dich selbst von deiner Wut, Verbitterung oder deinen Rachegedanken.

Wie oft habe ich schon darauf gewartet, dass der andere endlich zu mir kommt, um sich bei mir zu entschuldigen. Aber Jesus sagt, dass ich mich auf den Weg machen soll. Selbst wenn der andere eigentlich Schuld hat. Denn es geht gar nicht nur um den Anderen, es geht vor allem um mich. Es ist wie mit dem Loch im Zahn. Wie immer das entstanden ist – wenn ich nichts dagegen tue, wird es immer größer. Aber wenn ich hingehe und den anderen vom Haken lassen, dann kann das Loch heilen, dann werde auch ich wieder frei.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23641
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