Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wunder gibt es nicht! Als ich eines gebraucht hätte, ist rein gar nichts passiert.“ Eine 13jährige hat mir das vor versammelter Klasse an den Kopf geworfen. Dabei kann ich sie verstehen: Ich habe doch auch schon oft auf ein Wunder gehofft. Darauf, dass etwas Spektakuläres passiert, mich rettet - und wenn es nur vor der nächsten Klassenarbeit ist. Aber solche Wunder gibt es meist nicht.

„Vielleicht“, so fange ich an, „sind Wunder ganz anders, als wir sie uns vorstellen“. Ich frage die Klasse, ob sie Samuel Koch kennen und erzählen ihnen dann von seinem Unfall bei „Wetten das?“. Vor ein paar Tagen war ein großer Bericht über ihn in unserer Zeitung und mache kennen auch seine tragische Geschichte - seit 5 Jahren ist er vom Hals an querschnittgelähmt. Ich erzählen dann von meiner ersten Begegnung mit Samuel Koch und wie viele Menschen damals darum gebetet haben, dass Gott ein Wunder tut und ihn wieder heilt.

Aber diese Wunder hat Gott nicht getan. Samuel Koch sagt: "Hätte ich von Anfang an gewusst, dass ich so lange fast vollständig gelähmt verbringen muss, ich wäre durchgedreht." Aber er hat Freunde und seine Familie, die ihm beistehen.

Und dann geschieht doch ein Wunder: Er verkriecht sich nicht zuhause, obwohl es im so schlecht geht. Mit seiner offenen Art kann er vielen Menschen helfen, die auch in schwierigen Situationen sind und nicht wissen, wie man damit leben kann. Er tritt öffentlich auf und spricht davon, dass er „auch jetzt viele Stunden erlebt, die schön und glücklich sind und die ihm zeigen, dass es sich lohnt zu leben“. Das kann man leicht sagen, aber wenn ein Samuel Koch das sagt, hat das auf einmal ein ganz anders Gewicht und dann erscheinen mir meine Probleme auf einmal sehr klein.

„Ist das nicht auch ein Wunder“, frage ich, „dass dieser junge Mann wieder Kraft zum Leben bekommen hat? Gott hat nicht einfach mit dem Finger geschnipst und ihn aus dem Rollstuhl geholt. Trotzdem hat Gott hier ein Wunder getan: Dieser junge Mann ist schon jetzt für so vielen anderen Menschen zur echten Hilfe geworden - das ist doch ein echtes Wunder.

Zum Schluss lese ich noch einen Abschnitt aus dem letzten Interview mit ihm vor: „Ich habe jeden Tag Gründe zum Lachen, tiefgehende Gespräche, lohnende Herausforderungen. Ich bekomme und gebe hoffentlich viel Liebe. Den negativen Dingen, die ebenfalls täglich da sind, gestehe ich einfach nicht viel Raum zu. Ich habe gelernt, mich darauf zu konzentrieren: Was kann ich? statt ständig zu fragen: Was kann ich nicht?"
Dieser junge Mann ist für mich der Beweis, dass es heute noch Wunder gibt. 
 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23640
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