Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manchmal fehlen mir einfach die Worte. In manchen Situationen sind Worte aber auch so leer und hilflos.

Vor ein paar Tagen habe ich einen Trauerbesuch bei einem älteren Mann gemacht. Seine Frau war überraschend und viel zu schnell verstorben. Als ich das Wohnzimmer betreten habe, sah ich den weinenden Mann wie ein Häufchen Elend dasitzen. Ich wollte gerade meine Hand ausstrecken um ihm mein Beileid auszudrücken, da habe ich gespürt: Das ist viel zu wenig für diesen riesen großen Schmerz. Welche Worte können hier trösten? Klar, wenn ich ihm mein Beileid aussprechen und er wird sich höflich bedanken. Aber eine Hilfe ist das kaum. Darum habe ich in diesem Moment getan, was ich gefühlt habe: Statt ihm die Hand zu geben, habe ich diesen unendlich traurigen Mann einfach in meine Armen genommen.

Klar, war das auch etwas komisch, so viel Nähe zu einem fremden Menschen. Aber durch sein Leid waren wir uns gar nicht mehr so fremd. Gesagt haben wir in diesem Moment übrigens gar nichts. Was hätte ich auch sagen können? Alle Worte waren nicht so stark wie diese eine Umarmung.

Anschließend haben wir uns zusammengesetzt und über die Beerdigung gesprochen. Ich hatte den Eindruck, dass es ein ganz besonderes Gespräch war. Wir spürten, dass uns der Schmerz über den Verlust seiner geliebten Frau verband. Manchmal knüpfen solch kleinen Berührungen ein enges Band zwischen zwei Menschen.

Von Jesus wird erzählt, wie ein eines Tages bei einem wohlhabenden Mann zum Essen eingeladen war. Sicherlich gab es da viele höfliche Worte, aber die Begegnung zwischen diesem Mann und Jesus bleibt unterkühlt. Dann kam auf einmal eine Frau herein, ganz offensichtlich eine Prostituierte. Und Jesus ließ es zu, dass sie mit alle ihrem Schmerz zu ihm kam, ja sie weint zu seinen Füßen und trocknet diese dann sogar mit ihren Haaren. Dann holt sie noch eine kostbare Salbe aus der Tasche und cremt seine Füße ein. Alle sind irgendwie peinlich berührt, verstehen nicht, warum Jesus das zulässt, er muss doch wissen, was das für eine Frau ist. Aber für ihn ist die Berührung nicht peinlich, vielmehr durch und durch ehrlich. Viel ehrlicher als alle höfflichen, frommen Worte zuvor.

Solche Begegnungen kann man nicht planen – auch die Umarmung mit dem trauernden Mann hatte ich nicht geplant. Aber ich wünsche mir mehr solcher Begegnungen, denn sie tun auch mir gut. Wie oft mache ich mir Sorgen, die richtigen Worte in schwierigen Situationen zu finden. Dabei kann es doch so einfach und wohltuend sein. Ralf Schweinsberg, Evangelisch-methodistische Kirche, Baiersbronn

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23639
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