Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Angela Merkel bekommt heute in Stuttgart den Eugen-Bolz-Preis verliehen. Für ihre Haltung und ihre Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik. Von den einen ist sie deshalb heftig kritisiert worden. Andere anerkennen, dass sie verantwortlich als Politikerin handelt, christlich im Sinne wie ihre Partei sich nennt. So auch die Verantwortlichen der Eugen-Bolz-Stiftung. Eugen Bolz war Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus. 1944 ist er deshalb umgebracht worden. Heute gehört er zu den Menschen, die ein Vorbild sind. Gedenktafeln erinnern an ihn, Schulen sind nach ihm benannt.

Wir brauchen auch heute Menschen, deren Mut größer ist als ihre Angst. Gerade in dieser Zeit, in der es eine lange Liste berechtigter Gründe zur Sorge gibt. 

Ich merke selbst, dass ich in den letzten beiden Jahren unruhiger geworden bin. Die Anschläge in Paris, Brüssel, Istanbul und Berlin, der furchtbare Krieg in Syrien mit seinen Folgen, die Wahl in Amerika – das alles beschäftigt mich. Mir ist bewusster geworden, dass der Friede in Deutschland, der Wohlstand und unsere Demokratie verletzlich sind. Ich merke, wie gut es mir tut, wenn Menschen mutig sind und ihren Mund aufmachen. So wie eine Gruppe von Männern und Frauen, die einen Leserbrief in der Tübinger Tageszeitung veröffentlicht hat. Angela Merkel und Eugen Bolz hätten diesen Brief wahrscheinlich unterschrieben. Mir fällt er seitdem immer wieder ein obwohl schon eine Weile her ist, dass ich ihn gelesen habe. Er richtet sich an Menschen, die Angst haben und sich davon bestimmen lassen. Mich hat er erreicht, weil die Verfasser des Leserbriefs aufzählen, was ihnen alles wichtig ist in unserem Land. Und weil sie schreiben, dass sie bereit sind, sich jeden Tag dafür anzustrengen. Sie haben recht, dachte ich: Manchmal ist es schwer, tolerant zu sein. Manchmal ist es mühsam, genau hinzuschauen und eben nicht alle über einen Kamm zu scheren – weder Flüchtlinge noch AFD-Wähler. Demokratische Prozesse, in denen jeder seine Meinung sagen darf und in denen um Einigkeit oder Kompromisse gerungen wird, können zäh sein und kosten Zeit. Aber all das bedeutet auch mir so viel, weil es ernst nimmt, dass Menschen verschieden sind und alle das gleiche Recht darauf haben würdevoll und in Frieden zu leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23588
weiterlesen...