SWR1 3vor8

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Mt 5,1-12a (Seligpreisungen)

„Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen.“ Ein berühmter Satz, Bismarck soll ihn gesagt haben und auch Helmut Schmidt wird er zugesprochen. Dabei ist die Bergpredigt wohl die berühmteste Rede Jesu. Der Anfang wird heute in den katholischen Gottesdiensten vorgelesen: Die so genannten Seligpreisungen. „Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig, die keine Gewalt anwenden, sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden.“ Fürwahr solche Sätze scheinen nichts mit der Realität zu tun zu haben. Die Welt, in der wir leben, tickt ganz anders. Wer dreist lügt, gewinnt Wahlen. Wer Panzer rollen lässt, ist ein Held. Wer nationale Gefühle befriedigt, darf die Demokratie abschaffen. Das ist die derzeitige politische Realität.

Aber diese Realität macht mich zornig und wütend. Ich kann und will mich nicht mit ihr abfinden. Und ich ärgere mich darüber, wenn mich andere deshalb einen naiven Gutmenschen nennen. Denn was bitteschön sind die Alternativen? Mitmachen? So gut es geht auf Wahrheit und Gerechtigkeit pfeifen und nur den eigenen Profit, die eigene Macht,  suchen? Mit der Bibel in der Hand ist das für mich ein Unding. Oder einfach nur wegschauen und dafür sorgen, dass man selbst einigermaßen ungeschoren davon kommt? Auch das ist mit der Botschaft Jesu nicht vereinbar, denn Gutes zu unterlassen ist ebenfalls eine Sünde.

„Politik ist die Kunst des Möglichen“, das soll der alte Bismarck auch einmal gesagt haben. Für mich bedeutet das, sich nicht einfach mit dem abzufinden, was ist. Sondern zu versuchen, die Welt zu verändern. Alle Kunst darauf anzuwenden, so viel Gerechtigkeit und Frieden wie irgend möglich zu verwirklichen. Und für dieses Ziel ist es gut, einen Text wie die Bergpredigt in der Hand zu haben. In einer Zeit, in der schamlos auf Kosten der Armen Politik gemacht wird, brauchen wir Sätze wie: Selig, diehungern und dürsten nach Gerechtigkeit. In einer Zeit, in der die Hassparolen auf den Straßen immer lauter und die Hetze im Internet immer unverschämter werden, brauchen wir Sätze wie: Selig, die Frieden stiften. In einer Zeit, in der die Wirtschaftlichkeit über der Menschlichkeit steht, brauchen wir einen Satz wie: Selig, die Barmherzigen. Ich bin froh um jeden Politiker, der sein Tun und auch sein Lassen an den Sätzen Bergpredigt ausrichtet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23584
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