SWR1 Begegnungen

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Rettung von Menschen geht dem Gottesdienst vor!“

Schwester Andrea Stadermann  ist Ordensfrau im Kloster St. Hildegard bei Eibingen bei Rüdesheim und die erste Frau bei der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr. Klosterleben und Rufbereitschaft – geht das zusammen, frage ich Schwester Andrea, als ich sie im Kloster St. Hildegard besuche.

Es lässt sich gut verbinden. Es ist kein Problem. Bei Nacht  habe ich immer in meinem Zimmer auf dem Stuhl ne Alarmkleidung – ne Jogginghose und nen Pullover, das ziehe ich mir über den Schlafanzug drüber, dann geht es los.

Gleich vier Berufe hat die 53-jährige Schwester Andrea erlernt – sie ist Buchbinderin, Winzerin und Hauswirtschafterin. Derzeit arbeitet sie als Hausmeisterin im Kloster Hildegard, in dem 45 Schwestern leben. Nicht alle teilen die Leidenschaft von Schwester Andrea für den Dienst bei der Feuerwehr.

Es  wird geteilt gesehen bei uns, merke ich immer .Wobei die, die sich vielleicht damit schwer tun, mir das nicht so selbst sagen, aber ich merke das schon. Aber der Großteil sieht das erstens als notwendig an, dass jemand sich auskennt, und zweitens bin ich die Frau vor Ort. Wenn hier in der Gegend etwas passiert, werde ich immer gefragt: Und, wie war’s? Da ist schon ein reges Interesse, auch so, dass man mit den Leuten, die hier wohnen, auch mitfühlt, an die denkt und betet. Von daher wird’s schon positiv gesehen.

Schwester Andrea lebt  jetzt 30 Jahre im Kloster. Gebet und Gottesdienst stehen neben der Arbeit im Mittelpunkt des Alltags. Darf ein Einsatz bei der Feuerwehr dem Gottesdienst vorgezogen werden?

Ich bin bei der Freiwilligen Feuerwehr, und Menschenleben geht immer vor Gottesdienst, sag ich mal. Wenn irgendwo ein Brand ist, dann kann ich nicht sagen: Moment mal, ich muss erst mal zum Gottesdienst. Dann ist das wichtiger, ganz eindeutig.

Schwester Andrea ist nicht nur die erste Schwester bei der Freiwilligen Feuerwehr in Eibingen. Sie ist die erste Frau überhaupt. Sie erinnert sich noch, als sie das erste Mal bei ihren heutigen Kameraden vorbeischaute.

Für die war es irgendwie witzig, irgendwie auch befremdlich, dass da ne fremde Klosterfrau vor ihnen stand, ne Nonne. Sie wussten zunächst nicht, wie sie reagieren wollen. Aber inzwischen ist das ganz normal. Ich glaube, ich bin da so integriert, und so aufgehoben, oder angenommen. Aber inzwischen ist das kein Thema mehr.

Sie ist jetzt eine Feuerwehr-Kameradin und lauter Männern. Wie sie ihr Verhältnis zu Gott beschreibt und wie sie mit der Belastung als Feuerwehrfrau umgeht – dazu mehr nach dem nächsten Titel.

„Hier gehöre ich hin!“

Schwester Andrea Stadermann ist die erste und einzige Frau bei der Freiwilligen Feuerwehr in Eibingen bei Rüdesheim am Rhein. Hoch über der Stadt liegt das Kloster St. Hildegard, ein Kloster, das durch Gebet und Arbeit geprägt ist. Da können Feuerwehreinsätze den Alltag etwas beleben.

Ja, macht richtig Spaß. Einerseits die Gemeinschaft mit den Feuerwehrkameraden. Das ist so ne fidele Truppe da unten. Andererseits ist es auch manchmal aufregend, die Einsätze! Man kommt viel rum, lernt die Leute hier vor Ort kennen. Allein das macht schon viel Spaß, die Leute besser kennen zu lernen, vor Ort verortet zu sein.

Vor Ort ist Schwester Andrea integriert, sie ist gebürtige Rüdesheimerin. Sie mag die Menschen, die hier am Rhein leben. Ihre zupackende Art ist sympathisch, was ihr hilft, auch mit den Belastungen bei Feuerwehreinsätzen umzugehen. Eine Aktion ist ihr noch gut in Erinnerung.

 

Letztes Jahr im September hat ein Mann seine Frau mit Benzin übergossen und angezündet. Die beiden sind verstorben. Das war ein sehr dramatischer Einsatz, das hat alles sehr berührt, die mit dabei waren. (…) Die Kinder standen mit dabei, das war schon heftig.

Wenn die Zeit vor einem Einsatz noch ausreicht, informiert Sr. Andrea ihre Mitschwestern per Handy mit der Bitte, für sie, für ihre Kameraden und für die möglichen  Opfer zu beten. Die Trauer ist besonders groß, wenn ein Kamerad aus den eigenen Reihen sterben muss. Ein Feuerwehrmann  starb mit 50 Jahren plötzlich und überraschend, und Sr. Andrea erinnert sich an das Requiem.

Es wird heute immer wieder gesagt, die Bevölkerung glaubt nicht mehr an die Auferstehung – davon konnte ich überhaupt nichts merken. Weil die haben alle gesagt: Wir sehen uns wieder. (ab 10’46) Auch wenn die nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen, es gibt auch ein paar, die sind aus der Kirche ausgetreten. Letztlich ist da doch noch was da.

Natürlich bleibt Sr. Andrea auch als Feuerwehrfrau eine Klosterfrau. Eine Frau also, in deren Leben Gott eine besondere Rolle spielt. Man darf bei der Freiweilligen Feuerwehr in Eibingen durchaus spüren, wer da als Kameradin beim Einsatz mit dabei ist.

Das möchte ich auch irgendwie fördern, indem ich da mitmache, denen durch mein Leben zeige: Es gibt Gott, dafür bürge ich! Ich glaube, dass das irgendwie ankommt.

Ihr Gottvertrauen ist grenzenlos.

Grundsätzlich  gehe ich davon aus, das Gott mich trägt, er hat mich geschaffen, er hat mich ins Dasein gerufen, will, dass ich meine Berufung lebe. Dass ich jetzt bei der Feuerwehr bin, Einsätze mitmache, andren helfe – dann muss er mich auch tragen, wenn er mich so weit geführt hat.

Ob sie wieder in Kloster gehen würde, frage ich Sr. Andrea am Schluss unseres Gespräches:

Es gibt auch im Kloster genau  wie in jedem Lebensweg, denke ich, Auf und Abs. Da sagt man sich: Hättest du doch was anderes machen sollen! Letztlich, wenn ich dann in so einem Tal mal war und wieder auftauche, dann denke ich: Ne, das ist doch dein zuhause hier. Du bist hierher gerufen, und letztlich ist dein Leben stimmig. Letztlich kann ich mir doch nichts anderes vorstellen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23547
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