Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Der Countdown läuft. Noch ein paar Stunden, dann ist das Jahr 2016 vorbei.
Es ist kein christlicher Feiertag heute. Einfach nur der letzte Tag im Jahr. Aber ich finde es gut, dass heute Abend in den Kirchen Gottesdienst gefeiert wird. Mir hilft das, damit ich nicht in vollem Lauf über die Türschwelle ins neue Jahr stürme, sondern nochmal stehen bleibe.

Heute Abend werde ich in meinen Erinnerungen kramen. 2016: da fallen mir wunderschöne, wohltuende und auch witzige Momente ein, die ich genossen habe. Die schaue ich dankbar nochmal an und will sie gerne mitnehmen. Die andere Seite gehört auch zu diesem Jahr: was schwer war. Schwer auszuhalten, nicht leicht in Ordnung zu bringen. Nicht leicht oder gar nicht. Auch das bringe ich mit an die Türschwelle. Das Schwere würde ich gern ablegen und zurücklassen. Und weiß: so einfach ist das nicht.

Heute Abend wird in vielen evangelischen Kirchen über Sätze aus dem Alten Testament gepredigt. Worte aus dem Buch Jesaja. Da steht: “Durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein.“ (Jes. 30, 15).

Ich glaube, Stillesein ist etwas anderes als einfach nicht mehr darüber reden und den Mantel des Schweigens darüber breiten. Das löst nichts und klärt nichts. Ich kann erst still werden, wenn ich mich ausgesprochen habe. Vielleicht mit einem andern Menschen. Und mit Gott geht das auch. Die alten Gebete in der Bibel zeigen mir: vor Gott kann ich so sein, wie ich bin. Vor ihm kann ich schimpfen und klagen und kleinlaut werden, auf jeden Fall mein Herz ausschütten. So kann ich still werden. Damit gebe ich auch mir selbst gegenüber zu: ich habe nicht auf alles eine Antwort. Manches bleibt offen. Das war im vergangenen Jahr so und es wird auch im neuen Jahr so sein.

Jesaja erinnert mich: da ist ein Gott, der mir zuhört. Dem kann ich auch mit dem kommen, was in diesem Jahr unfertig geblieben ist und ungelöst. Manchmal finde ich keine Worte, um zu ihm zu beten. Dann halte ich ihm in der Stille hin, was war: was mich beunruhigt und aufgeregt hat und auch, was ich angerichtet habe.

Einfach ablegen, das geht nicht. Damit würde ich es auch nicht ernst nehmen.

Aber all das Gott überlassen, was ich auf dem Herzen habe. Es ihm in die Hand legen und loslassen, das möchte ich gern.

Der Gottesdienst heute Abend wird mit den Segen enden. Da wird mir und den anderen versichert: „Gott begleitet dich, auch über diese Türschwelle.“ Darauf vertraue ich. Und das gibt mir Kraft.

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