Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ich mag diese Zeit. „Zwischen den Jahren“ nennt man sie. Das eine Jahr ist fast vorüber, das andere noch nicht so recht da. Der große Weihnachtstrubel ist vorbei, die Silvesterböller sind noch eingepackt. Viele haben frei. Sonst ist mein Leben oft so durchgetaktet. Jetzt sind es eher ruhige Tage. Wie wenn alles etwas langsamer sein dürfte.

Eine Zeit dazwischen. Sie hilft mir zu verstehen, dass es das sonst im Leben auch gibt: dass ich aus dem einen rauswachse und im anderen noch nicht so recht angekommen bin. Das kann ja manchmal anstrengend sein. Jeder Jugendliche mit 13, 14 oder 15 kann ein Lied davon singen - und die Menschen, die ihn liebevoll und genervt begleiten, auch.

Und wenn ich zurückdenke an Umzüge, an die Fahrt hinter dem Umzugswagen her: das war ähnlich. Das eine loslassen, das andere noch nicht greifen können – da ist man in der Schwebe.

Die Zeit zwischen den Jahren erinnert mich: Es geht nicht immer alles „schnell, schnell“. Muss es auch nicht. Manches braucht Zei0,t um zu wachsen. Manche Entscheidung braucht Zeit, um zu reifen. Die soll sie auch bekommen.

In der Bibel wird von solchen Zwischenzeiten erzählt: Jesus zum Beispiel hat eine erlebt, bevor er das erste Mal öffentlich aufgetreten ist. Da hat er sich wochenlang zurückgezogen. Er ist überzeugt gewesen: das ist jetzt dran. Und es ist wichtig. Alles andere ist in dieser Zeit liegengeblieben.

Er ist zur Ruhe gekommen. Er hat sich von dem Lebensabschnitt verabschiedet, der nun zu Ende gegangen ist. Und er hat versucht, für sich zu klären, wie es jetzt weitergeht.

Bei dieser Geschichte fällt mir auf: Bevor etwas Neues anfängt, geht es darum, dass Menschen Kopf und Herz frei bekommen. Sie werden wieder offen: für einen neuen Weg, für eine neue Aufgabe, für Gott. Sie werden aufmerksam für das, was vorher womöglich zugeschüttet war. Sie fangen wieder an, nach Gott zu fragen: „Bin ich Dir wichtig, Gott? Und – wie geht es jetzt für mich weiter?

Bevor Menschen etwas Neues beginnen nehmen sie sich Zeit für große Fragen. Auch wenn sie nicht auf alles gleich eine niet- und nagelfeste Antwort finden. Es wird ja noch mehr Zwischenzeiten geben auf ihrem Weg.

Mag sein, dass man sich ein bisschen geparkt fühlt, wenn man eine Weile so dazwischen lebt und noch nicht loslegen kann. Aber ich finde, es ist eine gute Gelegenheit, sich neu zu sortieren. So wie jetzt. Zwischen den Jahren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23404
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