Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Der Weihnachtsengel will, dass ich ihn verstehe. Deshalb spricht er mittelbadisch mit mir. So, wie die Leute bei mir daheim reden.

Das war auch schon anders. Zum Beispiel, als ich Pfarrvikarin in Südbaden war. Direkt an der Schweizer Grenze. Dort spricht man – naja, südbadisch eben. Ich weiß nicht, wie die Sprach-Experten das nennen, aber für meine Ohren ist das irgendetwas zwischen alemannisch und Schwyzerdütsch.

Ich war dort für den Gottesdienst an Heilig Abend zuständig. Da hatte mich vorher beschäftigt, wie der Engel aus der Weihnachtsgeschichte damals wohl seine Nachricht zu den Hirten gesagt hatte. Dieses „Fürchtet euch nicht“, das jedes Jahr in der Kirche vorgelesen wird. Ich habe mir gedacht: der Engel ist doch ein Bote Gottes. Der hat doch wohl so geredet, dass es die Hirten gut verstehen konnten. In ihrer Sprache. Sonst macht es ja keinen Sinn.

Auch in einer Kirche voller Südbadener würde der Engel so reden, dass sie es verstehen, habe ich überlegt. In ihrer Muttersprache. Also habe ich jemanden aus dem Dorf gebeten, die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel im Dialekt vorzulesen.

Ich hatte sie schon oft gehört. Aber in diesem Jahr hat es anders geklungen. Da hat der Engel nämlich nicht gesagt „Fürchtet euch nicht“. Da hat er in schönstem Dialekt gesagt: „Mönt eu it firchte!“ In der Kirche ist es mucksmäuschenstill gewesen. Ich hatte Gänsehaut. Um mich rum hatten manche Tränen in den Augen. „Gott kommt zu dir. In dein Leben. Fürchte dich nicht!“ Das war auf einmal nicht mehr nur eine Nachricht aus alt vergangenen Tagen. Das war etwas für uns heute. Für unser Leben.

 „Fürchtet euch nicht“, „Fürchte dich nicht“: das wird zu einem persönlich gesagt. Also für Momente, in denen ich mich fürchte. Die mir zu schaffen machen.

„Fürchte dich nicht“: das höre ich, wenn mich beunruhigt, was in unsrer Welt alles passiert. Und wenn ich mir um einen Freund Sorgen mache, dann hilft es mir. Dann kann ich leichter für ihn da sein und mit ihm aushalten, was ihn belastet. Und es tröstet mich, wenn ich traurig über den Friedhof gehe.

„Fürchte dich nicht“. Also, genau genommen höre ich nicht „Fürchtet euch nicht“. Ich höre „Musch kei Angscht habbe“. So klingt das bei mir daheim, im Mittelbadischen.

Weil der Bote Gottes ja so redet, wie ich es verstehe und brauche. Wie redet Ihr Engel?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23403
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