SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Bibe amorem Sancti Johanni“, „trinke die Liebe des Heiligen Johannes“, mit diesem Satz hat man in früheren Zeiten den Gottesdienst am heutigen Tag beendet. Und das Schöne: das waren nicht nur Worte, sondern der Priester hat den Menschen auch wirklich einen Schluck Wein gereicht. Man erinnerte damit an den Heiligen Johannes, der heute seinen Festtag hat. Gemeint ist nicht Johannes der Täufer, der hat ja im Sommer, am 24. Juni Namenstag, sondern Johannes der Apostel. „Der Jünger, der ihn liebte“ (Joh 19,26), wie es in der Bibel heißt. Deshalb haben die Menschen Liebe und Zuwendung immer mit diesem Heiligen verbunden. Und die sollten mit dem Schluck Wein am Ende des Gottesdienstes im wahrsten Sinne des Wortes aufgenommen und verinnerlicht werden. Da man Liebe und Zuwendung aber nicht nur am 27. Dezember braucht, wurde der Wein an diesem Tag gesegnet und als Johanneswein für besondere Anlässe das ganze Jahr über aufbewahrt. Solche Anlässe konnten zum Beispiel Abschiede sein. Wenn früher Kaufleute auf große Fahrt gingen oder gar Soldaten in den Krieg zogen, wusste man nicht, ob man sich je wieder sehen würde. Deshalb verabschiedete man sich gerne mit einen Schluck Johanneswein, und versicherte sich so der gegenseitigen Liebe und Zuneigung. Auch beim letzten Abschied, dem Sterben, reichte man Johanneswein und verband damit den Wunsch auf ein Wiedersehen im Himmel. Man reichte ihn auch bei Hochzeiten dem frisch vermählten Paar, denn die Liebe und Zuneigung des Heiligen Johannes sollte ihre Beziehung ein Leben lang begleiten. Sicher, Johanneswein trinken ist keine Versicherung, damit in der Ehe alles gut geht. Aber sich mit Hilfe des Weins der gegenseitigen Liebe zu erinnern, das kann Kräfte freisetzen und – wenn nötig - neuen Schwung in die Beziehung bringen.

Natürlich kann man am heutigen Tag auch einfach nur den Appell aussprechen: Nimm Dir ein Beispiel am Heiligen Johannes, liebe deine Mitmenschen. Aber diesen Appell mit einem Schluck Wein zu verbinden, ist doch viel sinnlicher. In diesem Sinne: „Bibe amorem sancti Johanni – Trinke die Liebe des Heiligen Johannes.“

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