Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Das haben Kinder und der liebe Gott gemeinsam: sie wollen immer wieder gelobt werden.“ Diesen Satz brummte mein Nachbar in der Kirchenbank vor sich hin. Gerade hatte der Pfarrer einen Bibelvers zitiert: „Ich will den Herrn loben und ihm singen mein Leben lang.“ Und nun forderte er uns auf, ein Loblied zu singen. Kinder und der liebe Gott wollen immer wieder gelobt werden. Und Gott auch noch ein Leben lang.

Den Banknachbarn hat das unwillig gemacht, und wahrscheinlich hat er Recht. Denn kein Mensch kann das, Gott immer wieder loben. Schon wenn ich andere Menschen loben soll, bin ich äußerst sparsam. Hast du heute schon dein Kind gelobt? Diese Frage war vor einiger Zeit auf vielen Plakaten überall zu sehen. Und das nicht ohne Grund. Denn im Tadeln und Ausüben von Kritik sind viele ja Meister, aber Lob und Anerkennung auszuteilen, das vergessen sie einfach immer wieder. Mir passiert das auch. Gedankenlos nehme ich an, was mir gegeben wird, ich lobe und danke zu wenig. Dabei tut es ja allen Menschen gut, und fördert vor allem die Kinder in ihrer Entwicklung, wenn man sie lobt.

Erst recht gilt das aber Gott gegenüber, dass ich sehr sparsam bin, ihn zu loben. Dabei habe ich doch allen Grund dazu. Dass ich gesund bin und meine Arbeit tun kann, dass ich in einer Gemeinschaft mit Menschen lebe, die ich schätze und liebe, das ist nicht selbstverständlich. Dass mir kleine und auch wichtige Dinge jeden Tag immer wieder gelingen, dass ich weiß, an wen ich mich wenden kann, wenn ich Hilfe brauche, das gibt Anlass zu Lob und Dank, anderen gegenüber, aber auch Gott gegenüber.

Heute morgen wird es aber auch Menschen geben, denen das Loben und Singen im Halse stecken zu bleiben droht. Sie haben eher Grund zur Klage als zum Loben, anderen gegenüber und auch vor Gott. Und auch mir ist oft nicht nach Lobgesängen zu Mute.
Aber meine Erfahrung ist: dann ist es erst recht gut, dass ich mich erinnere an das Gute. Und wenn mir nichts einfallen will, weil ich alles grau in grau sehe, dann leihe ich mir die Worte anderer Menschen. Dann gibt es zum Glück die Loblieder. In ihnen kommt vieles zum Ausdruck, was Menschen bewegt: ihre Leiden und ihr Glück , ihre Passion und ihre Erlösung. Dann werde ich vielleicht wieder daran erinnert: Gott meint es gut mit den Menschen. Auch mit mir. Und ich hoffe darauf, dass er auch mir wieder hellere Tage schenken wird.
„Ich will den Herrn loben und ihm singen mein Leben lang,“ so heißt der Satz, der meinen Banknachbarn geärgert hat. Ich kann ihn gut verstehen, trotzdem aber ist das wichtig für mich, Gott zu loben. Denn wenn ich nachdenke, finde ich vieles, was in meinem Leben lobenswert ist. Ich weiß nicht, ob Gott mein Lob braucht, so wie es die Kinder brauchen. Aber mir tut es gut, Gott zu loben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2328
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