Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Noch nie ist mir das Jesaja-Wort so unter die Haut gefahren wie in diesem Advent: „Siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker“ (Jesaja 60,2).

Rabenschwarz wird einem vor Augen, denkt man an Syrien und den mörderischen Kampf um Aleppo, die Flüchtlingsströme, das Massengrab im Mittelmeer und den allgegenwärtigen Terror. Und nun ziehen auch noch dunkle, Unheil verkündende Wolken über Amerika und die Türkei. Überall wird hochgerüstet und durchgeladen. In den Arsenalen von Ost und West bringt man vergammelte Atom-Raketen wieder auf Vordermann. „Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker.“ 

Ist der Advent angesichts dieser gespenstischen Szenerie nur ein fauler Zauber? Nicht, wenn wir ihn als einen Weckruf begreifen: Wacht endlich auf, ihr Schlafmützen, und erkennt die Zeichen der Zeit!
Im Advent möchte ich noch wachsamer sein als sonst. Wir alle täten gut daran, zu prüfen und zu wägen, was mit uns und um uns herum geschieht. Wachsamkeit bedeutet, denen auf die Finger zu schauen, die permanent aufmischen gegen Flüchtlinge etwa und Andersdenkende. Auch die an den Schalthebeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen zu spüren bekommen, dass sie unter verschärfter Beobachtung stehen. Wir wollen eine Politik, die verbindet und nicht spaltet. Eine Wirtschaft, die gutes Leben schafft für alle und eine Gesellschaft, in die man sich gerne einbringt. Ich wünschte mir, der Advent würde für manche zu einer geradezu  gefürchteten Jahreszeit. 

Doch erhöhte Wachsamkeit ist nur das eine. Die Adventszeit ist vor allem auch eine tröstliche Zeit. Ich spüre das, wenn wir bei der Meditation am frühen Morgen in der dunklen Kirche das erste Licht entzünden. Es bricht mit zitternder Flamme die Dunkelheit, warm und schön. Mit dem Liedvers: „Mache dich auf und werde Licht, denn dein Licht kommt“, singen wir uns Mut zu. Lasst uns den schweren Schatten über uns  mit diesem Licht entgegentreten, das uns in der Geburt Jesu aufgestrahlt ist.  

Würden die Millionen von Lichtern, die uns in diesen Tagen verzaubern, alle gedeckt sein durch ein kleines Werk der Achtsamkeit und der Liebe – die Welt sähe anders aus. 
Das wäre die Revolution, die „Kerzen-Revolution“: Licht durchbricht die dunkle Nacht., Liebe überwindet Hass.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23247
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