Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In den Sommerferien haben bei uns drei Studenten übernachtet, die eine Fahrradtour quer durch Deutschland machten. Unser Quartier war für sie geradezu Luxus: Endlich mal wieder ein richtiges Bett und eine warme Dusche. Die meisten Nächte hatten sie nämlich auf Luftmatratzen in Jugendräumen von Kirchengemeinden verbracht. Ein einfaches Frühstück aus dem Rucksack – und dann ging es wieder auf die Straße. Ein bisschen habe ich die jungen Burschen beneidet. Es geht offenbar auch ganz einfach, und man kann trotzdem richtig viel Spaß dabei haben und glücklich sein. Leben mit leichtem Gepäck. Einfach lebendig sein und sich am Leben freuen. – Gibt es das nur bei jungen Leuten, bevor sie sich etablieren? Oder ist das auch eine Möglichkeit, wenn man wie ich schon etliche Jahre älter ist? Meine Frau und ich probieren das gerade aus!

Wir räumen zur Zeit das Haus auf, in dem wir wohnen und trennen uns von ganz vielen Dingen. Dabei merken wir, wie uns das geradezu beflügelt und lebendig macht. Und das Beste ist: Mit vielen Dingen können wir anderen eine Freude machen und etwas Positives bewirken. Manches verschenken wir an Freunde und Bekannte. Manches kommt in die Kleiderkammer für Flüchtlinge. Und wieder anderes bringen wir in den Diakonieladen unserer Stadt, wo es für ein paar Cent oder Euro an Bedürftige verkauft wird. Und ja, vieles gehört auch einfach in die Tonne. Wir könnten manche Dinge durchaus auch im Internet verkaufen und zu Geld machen. Aber ehrlich gesagt ist der Gewinn für uns viel größer, wenn wir Sachen verschenken. Der Gewinn an Freude und Genugtuung nämlich. 

Es gibt einen Satz von Jesus, der oft belächelt wird. Er lautet: „Geben ist seliger als Nehmen (Apg 20,35)“. Ich glaube, dass damit eine ganz tiefe Wahrheit und ein enorm hilfreiches Prinzip beschrieben wird. Wer auf Nehmen programmiert ist, bekommt nie genug, ist nie zufrieden, kommt nie zur Ruhe. Wenn ich aber das Grundgefühl habe: Ich gehöre zu denen, die Überfluss haben und abgeben können, gehe ich zufrieden und dankbar durchs Leben. Das ist übrigens keine Frage des Einkommens oder Vermögens, sondern des Charakters und Selbstbildes. Es gibt Menschen, die viele Millionen besitzen und meinen immer noch, die Gesellschaft um Steuern betrügen zu müssen. Ist das nicht erbärmlich und ein echtes Armutszeugnis? Aus meiner Sicht ist das kein Leben, das ich leben möchte. „Geben ist seliger als Nehmen.“ – Eben, ein Leben mit leichtem Gepäck. Das finde ich viel attraktiver. Einfach lebendig sein und Gott für die Dinge danken, die man nutzen und erleben kann. Für meine Frau und mich fühlt sich das jedenfalls echt gut an.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23123
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