Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

In biblischen Geschichten hat mich immer beeindruckt, wie Jesus Menschen begegnet ist. Besonders wenn sie arm, krank und fremd waren. Oder abgewertet von anderen. Jesus hat sich für jeden interessiert. Vorurteile hatte er keine. Und nie war er bereit, sich den Vorurteilen anderer anzuschließen. Er ist offen auf Menschen zugegangen und hat ihnen zugehört. Das ist heilsam.

Ich selbst bin geprägt von dieser Haltung. Und ich bin überzeugt davon, dass es gut ist genau so offen den vielen Flüchtlingen zu begegnen, die in unser Land gekommen sind. Ihre Integration ist im Moment eine große Anstrengung für alle Beteiligten. Es gibt viele tolle Ideen und Initiativen, wie das gelingen kann. So wie die Idee von ein paar Leuten aus dem Chor in dem ich singe.

Unser Chor hat im Sommer junge Männer und Frauen aus Syrien zu einem Spaziergang durch Tübingen eingeladen. Wir haben gesungen. Lieder für den Frieden, gegen den Krieg. Die Menschen aus Syrien haben erzählt. Ihre Geschichten. Zuerst in ihrer Muttersprache auf Arabisch, dann mit großer Anstrengung auf Deutsch. Sie haben erzählt, wie sie sich zurechtfinden in unserer Stadt. Fremd, mit Heimweh nach ihrem Zuhause und ihren Familien. Ohne Arbeit, aber irgendwie in Sicherheit. Achmed zum Beispiel hat erzählt als wir am Neckar gestanden sind. Zuhause ist er an den Quwaiq gegangen, wenn er Kummer hatte. Der Quwaiq ist der Fluss, der durch Aleppo fließt. Wenn er einen Freund brauchte, der ihm zuhörte war der Quwaiq ihm treu. Jetzt geht er an den Neckar und erzählt ihm, was ihn beschäftigt und Angst macht.

Keine der Geschichten die wir gehört haben, war leicht. Mir sind sie unter die Haut gegangen. Anders als wenn ich Zeitung lese oder die Bilder im Fernsehen sehe. Trotz der spürbaren Not hatten wir einen unvergesslich schönen Abend. Wir haben uns gegenseitig zugehört und uns erlebt - als Menschen. Und so auch erlebt, was uns verbindet:

Jeder Mensch braucht es, gesehen und gehört zu werden. Jeder braucht andere, die sich ihm zuwenden. Ohne Vorurteile. Wohl wollend.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23058
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