Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ab und zu wird ein Ranking der angesehensten Berufe veröffentlicht. Da hat sich nämlich einiges verändert. Vor 100 Jahren war klar: Das höchste Ansehen im Ort hatten der Arzt, der Lehrer, der Apotheker und der Pfarrer. Das waren die Honoratioren. In der Stadt kamen noch Richter und Anwälte dazu. Handwerker, Kaufleute oder gar Hausfrauen und Bauern dagegen wurden weniger hochgeschätzt.

Noch früher, im Mittelalter, hatten neben den Adligen die Geistlichen das höchste Ansehen. Priester also, Bischöfe oder Mönche und Nonnen. Die, hieß es, dienten Gott, während die weltlichen Berufe ja nur für den Broterwerb da waren.

Mit diesem geistlichen Hochmut hat der Mönch Martin Luther Schluss gemacht. Am Reformationstag heute möchte ich daran erinnern. Luther hat neu entdeckt, dass ja nach dem Neuen Testament alle Christen von Gott berufen sind, ihm zu vertrauen. Männer und Frauen gleichermaßen und jeder an seinem Platz. Alle sind sie berufen, seine Kinder zu sein. Und alle sind sie berufen, die Welt mizugestalten. „Ein jeder soll ein solches Leben führen, von dem er weiß, dass es Gott wohlgefällt, wenn es auch gleich verachtet und gering sein sollte. Ein Knecht, eine Magd, ein Vater, eine Mutter sein, dass sind solche Lebensformen, die durchs göttliche Wort eingesetzt und geheiligt sind und Gott wohl gefallen“ (WA 25, 385, 26-29), hat Luther geschrieben.

Jeder Mensch kann und soll an seinem Platz tun, was dem Nächsten dient. Und das nicht, weil er hofft, durch gute Werke in den Himmel zu kommen. Sondern aus Dankbarkeit gegenüber Gott. Gott hat ja mit der Taufe schon jeden Christen und jede Christin zu seinem Kind gemacht. Das muss man sich nicht verdienen. Und so kann man dann ganz entspannt das tun, was nötig ist, um die Welt und das Leben zu einem besseren Ort zu machen. Luther und die anderen Reformatoren haben dafür das Wort „Berufung“ eingeführt. Jeder Christ, Mann und Frau, ist berufen, an seinem Platz für das Wohl der Gemeinschaft zu arbeiten. Das ist sein Beruf. Man kann wohl sagen, dass unser Wort „Beruf“ auf diese Ideen der Reformation zurückgeht.

Dass in der Folge diese Vorstellung oft auch dazu geführt hat, dass Menschen allzu pflichtbewusst sich aufgeopfert haben für ihren Beruf – das will ich dabei nicht verschweigen. Trotzdem finde ich: Es tut gut, wenn man sich sagen kann: Das, was ich in meinem Alltag mache, dazu bin ich berufen. Deshalb finde ich es gut, dass im modernen Berufsranking Feuerwehrmann, Ärztin, Krankenpfleger und Erzieherin auf den ersten Plätzen stehen. Ich glaube, Martin Luther hätte sich darüber gefreut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23031
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