Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Natürlich hat die Tochter ja gesagt und unterschrieben, als die Mutter ihr die Patientenverfügung  hingelegt hat.
Selbstverständlich würde sie dafür sorgen, dass die Mutter am Ende ihres Lebens nicht leiden muss, sondern in Frieden sterben kann. Das ist doch keine Frage.

Womit sie aber nicht gerechnet hatte, das waren die vielen Fragen, als es dann wirklich so weit war. Als sie den entscheidenden Satz sagen sollte, damit die lebenserhaltenden Apparate abgestellt werden konnten.
„Es war der Wunsch meiner Mutter. Keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr“.

Sie war die Bevollmächtigte. Doch erst jetzt ist ihr die ganze Tragweite bewusst geworden. Was das heißt , Vollmacht  zu haben für einen anderen Menschen.  Bevollmächtigt zu entscheiden über weiterleben und weiterleiden – oder sterben.

Nie hat sie sich ohnmächtiger gefühlt, als in dem Moment, in dem ihre Vollmacht gefragt war.  Hin und her gerissen zwischen ihrem eigenen  Wunsch, dass die Mutter doch noch bleiben soll und dem, was die Mutter gewollt hätte. Wie hätte Mutter jetzt, in dieser Situation entschieden, wenn sie sich noch hätte äußern können?  Stundenlang hat sie am Bett gesessen und versucht, die richtige Entscheidung zu treffen. Sie hat gebetet und Gott um Beistand gebeten. Sich mit den Ärzten und Schwestern beraten, sich alles Medizinische genau erklären lassen.

Aber im Grunde hatte ihr die Mutter die Entscheidung längst abgenommen. Sie hat ihr ja gesagt, was sie will, wenn ihr Leben zu Ende geht. „Keine lebensverlängernden Maßnahmen!“ Genau dafür hat sie ihr in der Patientenverfügung die Vollmacht geben, für den Fall, dass sie selbst keine Entscheidung  mehr treffen kann.

Nie wird die Tochter den Moment vergessen, als die Ärztin gesagt hat:
„Sie haben die Vollmacht, Sie entscheiden für ihre Mutter.“
Und wie sie dann wirklich entschieden hat: „Jetzt keine weiteren medizinischen Maßnahmen mehr. Das ist der Wille meiner Mutter.“ Da hat sie begriffen, was das wirklich heißt: Vollmacht zu haben für einen anderen Menschen.

Dass es nichts mit Macht zu tun hat, sondern mit Liebe. Und dass es ein Liebesdienst ist, wenn ein Mensch einem anderen verspricht:  ja, ich bin bereit, dir zu helfen, dass Du gut sterben kann. Ohne Leiden und ohne Schmerzen und ohne Qual. Ich bin bereit, an deiner Stelle zu sagen „Jetzt keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr“. Und mit Gottes Hilfe wird es dann die richtige Entscheidung sein.

Das Formular zur Patientenvorsorge findet man hier: http://www.ekd.de/patientenvorsorge/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22864
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