SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

„Er hält die ganze Welt in seiner Hand“ – ein Gospel-Song, der gute Laune macht. Die Kinder, mit denen ich das Lied singe, lieben es: schwungvolle Melodie, verständlicher Text, und außerdem kann man sich dazu bewegen – ja eigentlich macht man es unwillkürlich.

Der Inhalt des Liedes scheint allerdings auf den ersten Blick ein wenig einfach gestrickt. Gott hält die ganze Welt in seiner Hand – ein eingängiges Bild, aber für manchen klingt es vielleicht ein wenig naiv. Was soll das heißen – angesichts von Krieg wie in Syrien oder Zerstörungen durch Erdbeben wie in Italien?

Aber: in den einfachen Strophen steckt doch ganz viel. Eigentlich die wichtigste Botschaft der biblischen Schöpfungsgeschichten!
Gott hält die ganze Welt in seiner Hand. Er hat sie geschaffen und erhält sie.

Die Strophen des Liedes führen das aus: Das winzige Baby ebenso wie die riesigen Weiten des Weltalls mit den Gestirnen; die Pflanzen, die Tiere und die Menschen. Für mich bedeutet das auch: Es gibt etwas, das mich mit meiner ganzen Umwelt verbindet – und mit allen Menschen. Alle Menschen sind wie ich Geschöpfe. Das verleiht ihnen die besondere Würde, von der auch unser Grundgesetz spricht. Und es macht mir klar, dass niemand von Natur aus wichtiger oder unwichtiger ist als ich.

Die ersten, die dieses Lied gesungen haben, waren die Sklaven, die unter unmenschlichen Bedingungen auf den Plantagen der USA leben und arbeiten mussten. Ihnen hat das Vertrauen, dass Gott alle Menschen gleichermaßen in der Hand hält, auch ihre Würde zurückgegeben. Und wenn sie davon gesungen haben, dann war das gleichzeitig ein Protest gegen die Ungerechtigkeit der Gesellschaft, in der sie leben mussten.

In manchen Versionen des Gospelsongs habe ich übrigens Strophen entdeckt, die ich bisher nicht kannte: Gott hält den Spieler, den Sünder, den Trinker in seiner Hand!

Diese sonst eher unbekannten Strophen sind für mich besonders eindrücklich. Denn sich machen es konkret: Dass jeder Mensch seine Würde hat, jenseits seiner Taten und Untaten. Die Würde kann ihm nicht genommen werden – und ich sollte ihn deshalb mit Respekt behandeln, egal, wie schief sein Leben verläuft. Ja sogar egal, wie schwer er es seiner Umwelt macht, mit ihm klarzukommen.

Jeder Mensch hat seine Würde und verdient Respekt, einfach, weil er Mensch ist – unabhängig von seiner Herkunft oder Religion, und auch unabhängig von seinem Verhalten oder seiner Leistung. Daran erinnert mich der Gospel-Song immer wieder.

Und ich glaube: Wo es mir und anderen gelingt, das zu leben, da verändert sich die Welt. Und man spürt mehr davon, was das Lied verspricht: Gott hält auch dich und mich, Bruder, in seiner Hand – Gott hält auch dich und mich, Schwester, in seiner Hand!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22840
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