Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wie war nun dieser Sommer für Sie? Ich bin eigentlich ganz zufrieden – so schlecht fand ich das Wetter nicht, vor allem in den letzten Wochen.

Aber viele haben geklagt: Das war doch gar kein richtiger Sommer, immerzu gab es Unwetter und Regen. Und die Landwirte haben über Ernteeinbußen geklagt vor allem bei Kartoffeln und Wein.

Aber das ist gar kein Vergleich mit dem Sommer vor 200 Jahren. 1816 nämlich war „das  Jahr ohne Sommer“, vor allem hier in Süddeutschland, in der Schweiz und in Nordamerika. Die Sonne schien kaum einmal, den ganzen Sommer musste man heizen, wenn man sich das Holz dafür leisten konnte. Noch im Juli und August gab es Nachtfröste und deshalb dann vielerorts einen totalen Ernteausfall. Der Brotpreis stieg auf das dreifache. „Die Kinder haben Gras gegessen wie Schafe“, haben Augenzeugen berichtet. Zehntausende mussten damals  auswandern, zum Beispiel nach Bessarabien und nach Amerika.

Die Leute haben Wallfahrten veranstaltet, Buß- und Bittgottesdienste abgehalten. Wie schon in biblischen Zeiten haben sie gebetet: „Es warten alle auf dich, Gott, dass du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit“. Aber der Hunger wurde immer noch schlimmer und viele werden sich gefragt haben: Wie kann Gott das geschehen lassen. Er kümmert sich eben doch nicht um seine Menschen, werden viele gedacht haben.

Aber vielleicht ja doch? In Württemberg zum Beispiel kam gerade in diesem Hungerjahr König Wilhelm I an die Regierung. Er hat sofort angefangen, die Landwirtschaft zu fördern, die ziemlich rückständig war. Er hatden landwirtschaftlichen Verein zur Unterstützung der Bauern gegründet, 1818 entstand auf seine Initiative die landwirtschaftliche Versuchs- und Unterrichtsanstalt in Hohenheim und im gleichen Jahr wurde erstmals das Landwirtschaftliche Hauptfest in Cannstatt gefeiert. Ein Erntedankfest als man erstmals wieder eine Ernte eingefahren hatte. Der König selbst hat es eröffnet. Dort sollten auch landwirtschaftliche Innovationen vorgestellt und ausgezeichnet werden. So entstand eine Art Wettbewerb in der Landwirtschaft und die Erträge wurden merklich besser.

Die Jahre 1816 und 1817 waren die letzten durch Missernten hervorgerufenen Hungerjahre in Mitteleuropa. Im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart kann man sich bis zum 30 September über dieses „Jahr ohne Sommer“ und die Maßnahmen des Königs informieren. Und das Cannstatter Volksfest wird immer noch gefeiert. Ein Dankfest und ein Fest der Lebensfreude. Die Fruchtsäule steht im Mittelpunkt. Heute Abend wird es eröffnet.

 

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