Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Heilpflanzen, Dinkel, Edelsteine, das verbindet man heute mit Hildegard von Bingen. Im 12. Jahrhundert hat sie gelebt und heute ist ihr Gedenktag, vor 837 Jahren ist sie gestorben.

Sie war ein richtiges Multitalent, und weil sie adeliger Herkunft war, wurden ihre Begabungen auch gefördert. Ihre umfassende Ausbildung hat sie in einem Kloster erhalten, andere Möglichkeiten gab es damals nicht, jedenfalls nicht für Frauen. Alles hat Hildegard interessiert, Menschen und Tiere, Pflanzen und Steine,  der Kosmos und seine Gesetze. Auch künstlerisch war sie sehr begabt.

Die Nonne Hildegard hat sich aufs Leben verstanden, auch dicke Klostermauern konnten sie daran nicht hindern. Sie hat die Menschen gekannt und gewusst, was sie brauchen, was sie gesund erhält und was sie krank macht. Noch heute schätzen viele die Art, wie sie Menschen geheilt hat.

„Gott ist gut, und alles, was in ihm seinen Ausgang nimmt, ist gut.“ Davon war Hildegard zutiefst überzeugt. Deshalb konnte sie die Menschen und die Welt auch sehen, wie sie sind, ohne zu idealisieren, ohne zu verteufeln und vor allem: ohne zu moralisieren. Eine solche Frömmigkeit überfordert nicht. Sie berührt und umfasst den ganzen Menschen, mit allen seinen Gaben und Möglichkeiten und ebenso mit seinen Grenzen und seinem Versagen – alles darf sein, und alles kann Gott hingehalten werden.

Ganzheitlichkeit, das ist fast schon ein Zauberwort unserer Zeit. Denn wir haben oft das Gefühl, wir verlieren den Überblick und sehen nur noch einzelne Teile. Ich will aber als ganzer Mensch gesehen werden, nicht nur als Arbeitskraft oder als Konsumentin oder als Patient. Ich will, dass die Erde nicht nur als Rohstofflager verstanden wird, das man ausbeuten kann, sondern als Schöpfung. Als ein Gefüge, in dem alles aufeinander bezogen ist – eben, weil alles in Gott seinen Ursprung hat.

Hildegard von Bingen ist quasi die Patronin der Ganzheitlichkeit geworden. Zusammenschauen, was zusammengehört – das war ihre große Gabe. Und das wird es wohl sein, was sie 800 Jahre nach ihrem Tod so aktuell macht und für viele so faszinierend. Herzlichen Glückwunsch, Hildegard!

 

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