Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Heute ist ein guter Tag für einen guten Tag“. Im ersten Moment dachte ich, ich sehe schon doppelt, als ich das auf einer Karte gelesen habe. Aber nein, mit meinen Augen ist alles in Ordnung. Es ist einfach nur eine Botschaft, die ich nicht erwartet hatte. Sprüche auf Karten haben meistens irgendeine geistreiche Pointe. Hier liegt die Pointe darin, dass es eben keine Pointe gibt und meine Erwartung ins Leere läuft.

„Heute ist ein guter Tag für einen guten Tag“. Der Spruch hat was, gerade, weil er so anders ist als erwartet. Jeder Tag hat das Zeug dazu, ein guter Tag zu werden. Das heißt: Ich muss nicht auf irgendwelche Glückstage warten oder mir ausrechnen lassen, wovor ich mich an welchen Tagen besonders in Acht nehmen soll. Ich kann grundsätzlich mal jedem Tag zutrauen, dass er Gutes für mich bereithält. Dass er hundert Gelegenheiten bietet, um mich an etwas zu freuen, um zu staunen, um dankbar zu sein, dass ich gerade diesen Tag erlebe.

Natürlich kenne ich auch Tage, an denen es nicht so rund läuft, wie ich’s mir wünsche. An denen ich enttäuscht werde oder einen Misserfolg verkraften muss oder eine Nachricht erhalte, die mich traurig macht. Tage, an denen die Arbeit wie Kaugummi an mir klebt und ich einfach nichts so recht hinkriege. Aber ich habe eigentlich noch keinen Tag erlebt, der nur schwer oder schwarz oder negativ war. Ich habe mir auch angewöhnt, mich jeden Abend an mindestens sechs Dinge zu erinnern, die heute gut waren. Und seit ich das tue, bin ich auch tagsüber irgendwie wacher und nehme bewusster wahr, wenn etwas schön ist oder gelingt.

Der Spruch auf der Karte hat mich an ein Gebet erinnert, das ich einige Jahre immer auf dem Weg zur Arbeit gebetet habe:

Gott, dieser Tag und was er bringen mag, sei mir aus deiner Hand gegeben: Du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Du bist der Weg, ich will ihn gehen. Du bist die Wahrheit, ich will sie sehen. Du bist das Leben: mag mich umwehen Leid und Kühle, Glück und Glut, alles ist gut, so wie es kommt. Gib, dass es frommt! In deinem Namen beginne ich. Amen.[1]

Wer’s gern weniger fromm hat, kann natürlich auch sagen: Heute ist ein guter Tag für einen guten Tag!



[1] Hubertus Halbfas, Der Sprung in den Brunnen, Patmos-Verlag Düsseldorf 1996, S. 146

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22760
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