SWR1 3vor8

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zu Amos 6, 1a.4-7 und Lk 16, 19-31

Stellen Sie sich vor, die Weltbevölkerung wäre ein Dorf mit 100 Seelen. Dann besäßen 10 Personen 85% des gesamten Reichtums. 80 würden in baufälligen Hütten leben. 70 könnten nicht lesen und schreiben. Und 14 von hundert Menschen würden hungern in diesem Weltdorf.
Ich, der ich ein Dach über dem Kopf und ein bequemes Bett zum Schlafen habe, bin reicher als 75% der Menschen dieser Erde.
Das kann ich so hinnehmen, als selbstverständlich. Ich kann sagen, das hab ich mir erarbeitet oder sogar verdient. Ich kann sagen das ist Zufall oder einfach Glück, dass ich in dieser reichen Ecke der Welt geboren bin und nicht in der armen.
Ich könnte aber auch sagen, das ist eine Art Verantwortung für mich, dass ich mehr habe, viel mehr habe als andere auf diesem Planeten. Das heißt nun nicht, dass ich in Sack und Asche gehen muss und mir nichts mehr gönnen darf. Aber seit ich Slums nicht nur im Fernsehen gesehen habe, sondern mittendrin gestanden bin, kann ich unsere reiche Welt nicht mehr ohne die arme sehen. Und kann irgendwie gar nicht mehr anders als was tun für Menschen denen es schlechter geht in nah und fern.
Dazu muss ich kein Christ sein. Helfen tun auch viele andere gläubige und nicht gläubige Menschen. Aber als Christ habe ich ein klares Koordinatensystem das mir hilft zu geben, von dem was ich genug oder gar zuviel habe.
Die Bibel ist voll von Mahnungen und Beispielen sozialen Verhaltens. Zwei Lesungen in den katholischen Gottesdiensten heute sprechen von der Horizontalen des christlichen Glaubens, von der zwischenmenschlichen, sozialen Ebene, ohne die die vertikale, der Glaube an Gott nicht zu denken ist.
Der Prophet Amos haut den Reichen des Volkes Israel, die sich nicht um die Armen scheren ihre Völlerei und Protzerei um die Ohren.
Und rund 800 Jahre später sperrt Jesus Reiche, die sich nicht um die Armen vor ihrer Haustür kümmern glatt und sauber vom Himmel aus.
Ich verstehe das nicht als Drohbotschaft, sondern als drastische Provokationen. Sie sollen den Kern des jüdisch-christlichen Glaubens verdeutlichen: Gottesglaube ohne Nächstenliebe geht nicht! Und die zeitlos aktuellen Provokationen dieser Bibeltexte passen auch sehr gut zu dem Fest, das heute in den Kirchen gefeiert wird: Erntedank.
Einen schönen Sonntag wünsch’ ich Ihnen! https://www.kirche-im-swr.de/?m=2273
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