Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Sie hat nie den Lebensmut verloren.“ In letzter Zeit ist mir dieser Satz in Nachrufen aufgefallen. Zuletzt für eine Fernsehmoderatorin, die lange tapfer gegen den Krebs gekämpft hat.

„Nie den Lebensmut verloren.“ Ich weiß, das ist positiv gemeint. Es wird gelobt, wie tapfer ein Mensch war, der Kampfgeist. Lebensmut ist ja auch eine große Kraft.

Aber ich finde, dieser Satz ist irgendwie übergroß. Und hat für mich einen Unterton. Als ob das immer so sein müsste. Bei jedem. Aber wenn ein „Muss“ daraus wird, dann kann der Satz eine Last werden: ‚Wenn der oder die den Mut nie verloren hat, dann darfst Du das auch nicht. Wenn Du in einer schwierigen Lebenslage bist.’ Ich meine: Wenn der Satz so wirkt, dann macht er keinen Mut, sondern überfordert einen.

Ich frage mich auch, stimmt der Satz eigentlich? So eindeutig wie er oft geschrieben wird. „Nie den Mut verloren.“ Von der Fernsehfrau und den anderen, von denen ähnliches geschrieben wird? Woher wissen die das, die so schreiben? Waren sie dabei in den Stunden, in denen die Menschen ganz allein waren?

Ich kann mir gut vorstellen, dass jemand mal den Lebensmut verliert, der mit einer schweren Krankheit kämpft, und einfach nicht mehr kämpfen will. Und das dürfen Menschen, meine ich. In Situationen, in denen man durchhängt. Nicht mehr stark sein kann. In denen man verzweifelt ist und keine Kraft mehr in sich spürt, auf die man zurückgreifen könnte.

Es gibt Situationen, in denen ein Mensch Hilfe braucht und die Kraft und den Lebensmut von anderen. Dass sie mit ihrer Kraft zu einem stehen. Bei einem bleiben und es aushalten, wenn man klagt und verzweifelt ist. Und dann sollten die bitte nicht sagen: „Du musst kämpfen, reiß Dich zusammen.“ Obwohl ich doch Angst habe und nicht mehr das Herz zu kämpfen. Nicht mehr die Kraft, selber aufzustehen.

Das ist doch grade menschlich, dass wir uns gegenseitig unsere Mutlöcher stopfen können. Und anderen mit Glauben und Lebensmut aushelfen, bei denen er sinkt. Das ist ja das Gute an Menschen, dass wir das können. Zusammenhalten und füreinander da sein. Vielleicht auch miteinander sagen: „Jetzt wird es uns zu viel. Hilf uns, Gott.“

Wenn Ihr Lebensmut heute nicht so stark ist, dann wünsche ich Ihnen jemanden, der Ihnen die Hand auf die Schulter legt. Und zu Ihnen hält. Ohne was von Ihnen zu verlangen. Vielleicht wächst so wieder Mut in Ihnen. Und den Glauben wünsche ich Ihnen, dass die guten Mächte Gottes uns halten, auch wenn uns der Mut fehlt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22679
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