Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Kennen Sie den „Markt“? Ich meine nicht, ob Sie sich auskennen mit der Marktwirtschaft oder dem Wochenmarkt, sondern wirklich, ob sie „den Markt“ kennen.
Jetzt sagen Sie vielleicht, „den Markt“ kann man ja nicht kennen, wie man einen Menschen kennt.
Trotzdem mache ich immer wieder die Erfahrung. Viele reden vom Markt so, als ob er eine Person wäre. Als ob er selbst aktiv wäre. Mit eigenem Willen. Als ob er Absichten hätte.

Beispiel: Ich war vor kurzem in Bühl im Badischen, in den Zwetschgenäckern. Ein Fachmann hat uns seine Bäume gezeigt und ich habe viel Neues erfahren. ZB. Dass „die Bühler Zwetschge“ kaum noch angebaut wird. „Die Bühler“ ist nämlich nicht der Name für Zwetschgen an sich, sondern für eine bestimmte Sorte. Eine klassische. Aber „die Bühler“ hat Probleme: Sie ist zwar besonders wohl schmeckend, aber klein, nicht gut für Zwetschgenkuchen und vor allem, schwer zu ernten. Sie wächst auf Bäumen, die sehr hoch werden. An die Bühler kommt man nicht leicht ran. Beim Ernten.

Und nun kommt der „Markt“ ins Spiel.
„Der Markt will die „Bühler“ nicht mehr,“ sagt der Zwetschgenfachmann.
„Der Markt“, als wäre er eine Person.

Auf Nachfrage wird deutlich, wer die Bühler nicht mehr will. „Der Discounter und der Verbraucher.“ Mehr als 60 Cent darf das Pfund im Geschäft nicht kosten. Aber zu solchen Preisen kann man „die Bühler“ nicht ernten, wenn man als Obstbauer leben will.

Stattdessen, erzählt der Zwetschgenfachmann, verlegt man sich auf andere Sorten. Im Vergleich zu den klassischen sind die riesengroß. 5 Stück geben 1 Pfund. Da rechnet sich das mit den 60 Cent eher. Ich habe so eine Riesenzwetschge probiert. Ich fand sie echt enttäuschend im Vergleich. Was sind wir Verbraucher doch für komische Leute.

Eines ist mir dabei aber klar geworden. Der „Markt“ ist nicht das Subjekt, das schlimme Entwicklungen will. „Der Markt“ das sind Menschen. „Der Discounter und Sie und ich – wir Verbraucher.“ Was treibt uns an?

Wollen wir Gutes am Markt, für die Zwetschgen, für den Boden, für die Erzeuger, für die, die Produkte veredeln und vermarkten. Für uns. Oder treibt uns falsche Sparsamkeit oder Gier, oder sind wir geschmacklos?

Früher haben Menschen geglaubt, der Teufel habe Macht über sie. Wenn sie gesündigt haben. Der Teufel hat mich geritten, haben sie dann gesagt. Das war ein Versuch, sich zu entschuldigen. Wir sagen manchmal „der Markt ist es“. Und reden uns so aus unserer Verantwortung. Aber ich fürchte wir sind doch schuld, die Discounter und ich als Verbraucher.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22678
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