Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wie kann man sicher sein, dass man bei Gott auf der richtigen Seite ist? Ein Bild aus dem 19. Jahrhundert hat dazu eine interessante Meinung. Vielleicht kennen Sie es  – es heißt „Der breite und der schmale Weg“ und ist in einigen Heimatmuseen in Württemberg zu sehen.[1] Im Internet können Sie es auch anschauen. Ich versuche, es Ihnen mit Worten zu beschreiben.

Auf einem offenen Tor steht groß „Willkommen“. Dahinter beginnt ein breiter Weg, an seinem Rand ein Theater und ein Pavillon, in dem Menschen miteinander feiern und trinken, eine Spiel­hölle und ein Pfandleihhaus. Viele Menschen sind auf dem Weg unterwegs: Friedliche Spazier­gänger, aber auch raufende Kinder sind zu sehen, ein Mord. Der Weg endet in einem Szenario von Krieg, zerstörten Gebäuden und einem Flammeninferno.

Auf der rechten oberen Seite des Bildes sieht es friedlicher aus. Da leuchtet ein Gottesauge neben einer Stadt – dem himmlischen Jerusalem. Zu diesem Ort führt nur ein schmaler Pfad, gesäumt von steilen Abhängen. An seinem Anfang: eine Kirche.

Auch auf dem schmalen Weg sind Menschen unterwegs, aber nur wenige. Kein Wunder: das Eingangstor ist nur schwer zu erkennen. Genau wie die beiden Wegweiser, die auf die Tore zeigen: „Tod und Verderben“ steht auf dem einen, „ewiges Leben“ auf dem anderen.

Wie kann man sicher sein, dass man bei Gott auf der richtigen Seite ist? Das Bild sagt: wenn du den richtigen Weg nimmst und allem Falschen ausweichst, dann kommst Du bei Gott an.

Aber geht das wirklich? Allem Falschen auszuweichen? Mir gelingt das, ehrlich gesagt, nicht. Dann wäre ich also auf dem breiten Weg unterwegs, der ins Unglück führt, denn eine Abzweigung auf den schmalen Weg gibt es auf dem Bild nicht.

Zum Glück zeichnet der Apostel Paulus ein anderes Bild von meinem Weg zu Gott. Paulus sagt: Kein Mensch ist immer auf dem richtigen Weg unterwegs, so sehr er sich auch bemühen mag. Aber Gott lässt ihn trotzdem nicht fallen. Er geht auch die falschen Wege mit. Und er baut für jeden Menschen immer wieder neue Wege, die direkt zu ihm führen.

Ich glaube: auf dem Bild, das Paulus zeichnen würde, gäbe es mehr Wege als nur zwei. Da gäbe es breite Wege und schmale, gerade Wege und Wege mit Verzweigungen und manche Baustelle. Aber keine einzige Einbahnstraße und keine Sackgassen.

Und ein Gottesauge, das über dem ganzen Bild steht: als Überschrift für meinem Weg mit Gott. Denn Gott hat mir versprochen: auch wenn ich mich verirre – zu ihm darf ich immer zurückkehren.



[1] Das Bild wurde von Charlotte Reihlen, der Gründerin der Stuttgarter Diakonissenanstalt, entworfen, 1867 von Conrad Schacher 1867 als Lithographie und war im 19. Jahrhundert in Württemberg stark verbreitet. Vgl. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Der_breite_und_der_schmale_Weg_Lithographie_im_Rahmen.jpg

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22616
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