Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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In Kirchen stehen oft Figuren. Besonders in Kirchen aus der Barockzeit. Ein näherer Blick darauf lohnt sich. Die Statuen sind wie „Checklisten“, ein hervorragender Spiegel, um über mich selbst nachzudenken: Wem sehe ich ähnlich? Wie möchte ich nicht sein? Zwei greife ich heute heraus, wie sie gegensätzlicher kaum sein könnten: den Stolz und die Demut. Sie stehen sich gegenüber und es ist deutlich zu erkennen, wer wer ist.
Der Stolz blickt hochnäsig auf die Demut herab. Die Demut senkt bescheiden den Blick.
Übertrieben stolze Personen sind damit beschäftigt, anderen zu imponieren. Sie möchten bewundert werden. Emotionale Wärme zurückzugeben, sich in andere einzufühlen geht dabei oft verloren. Ich hatte mal so einen Chef. Er fühlte sich selber grandios. Die anderen waren alle unfähig. Und wenn einer gewagt hat, ihn zu kritisieren, ist er explodiert.
Stolz gibt es aber nicht nur in dieser selbstsicheren Variante, er kann auch sehr versteckt vorkommen. Ich kenne das aus meiner eigenen Vergangenheit. Ich habe früher oft nur geschwiegen, gelächelt und mir meinen Teil gedacht. Freunde haben mir Gott sei Dank gesagt, dass das überheblich und arrogant wirkt. Ich wollte bescheiden sein, hatte dabei aber viel zu hohe Ansprüche an mich selbst und vor allem an die anderen.
Die Theologie der Barockzeit sagt eindeutig: Demut ist eine christliche Tugend, Stolz ist Sünde. So einfach war das. Heute denken wir nicht mehr so schwarz-weiß. Aber im täglichen Umgang erlebe ich oft die negativen Folgen von übertriebenem Stolz und genauso von fehlendem Selbstvertrauen und falscher Unterwürfigkeit. Die einen wirken arrogant, die anderen schüchtern. Stelle ich mir also selbst die Frage: Wie möchte ich denn sein, stolz oder demütig, komme ich zu dem Schluss: ich möchte selbstbewusst sein, aber nicht durchs Leben stolzieren, als wäre ich der einzige, dem das Leben gelingt. Und ich möchte demütig sein. Das Wort Demut klingt zwar altmodisch aber ich finde die Haltung erstrebenswert. Obwohl ich glaube genügend zu wissen und zu können, versuche ich anzuerkennen, dass ein anderer vielleicht trotzdem Recht hat oder manche Dinge besser weiß als ich.
Demut, glaube ich, ist ein Gefühl, bei dem ich zurecht stolz sein kann auf das, was ich geschafft habe. Ich kann mich über eine geniale Idee freuen und trotzdem bescheiden bleiben.
Ich bin auch stolz auf meine Kinder und Enkel, weil sie ihr Leben gut meistern. Dass es so ist, dafür bin ich dankbar. Prahlen oder andere abwerten, muss ich deshalb noch lange nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22513
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