Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Warten lohnt sich. Das denke ich jedes Mal, wenn ich auf der Terrasse sitze und unser Pfirsichbäumchen anschaue. Das bekommt dieses Jahr nämlich zum ersten Mal Früchte. Vor sechs Jahren habe ich einen Pfirsichkern in einen Blumentopf mit Erde gesteckt. Zwei Jahre lang hat sich nichts getan. Ich wollte den Topf schon für etwas anderes benutzen. Aber dann war plötzlich doch ein winziges Hälmchen zu sehen. Und jetzt trägt der kleine Baum seine ersten Pfirsiche. Das Warten hat sich gelohnt.

Warten können und geduldig sein lohnt sich. Aber nicht nur, wenn man bekommt, worauf man wartet. Forscher haben herausgefunden: Menschen, die geduldig auf etwas warten können, leben besser. Sie können besser mit anderen Menschen umgehen, sind erfolgreicher im Beruf und gesünder. Geduldige treiben mehr Sport und rauchen und trinken weniger als ungeduldige Menschen.

Und wie wird man geduldig? Wie lernt man, zu warten? Eine große Rolle spielt das Elternhaus, sagen die Forscher. Ein Kind muss sich auf seine Umgebung verlassen können. Wenn ein Kind nicht Angst haben muss, dass morgen alles anders ist, dann lernt es, zu warten. Genauso brauchen auch Erwachsene ein verlässliches Gegenüber, um warten zu können.

Geduld hat also etwas mit Vertrauen zu tun. Ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann. Deshalb überrascht es mich nicht, dass es in der Bibel viele Geschichten über das Warten gibt. Denn Glauben heißt ja: Gott vertrauen, sich auf ihn verlassen. Es gibt viele Wartende in der Bibel. Da sind zum Beispiel Abraham und Sarah, die viele Jahre lang warten müssen, bis sie endlich ein Kind bekommen. Oder Jakob, der 14 Jahre geduldig sein muss, bis er seine geliebte Rahel heiraten kann. Sie alle konnten warten, weil sie Gott vertraut haben. Das ist ihnen nicht leicht gefallen. Das Warten war lang und zermürbend. Manchmal haben sie auch versucht, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Aber sie haben sich doch immer wieder darauf verlassen, dass es Gott gut mit ihnen meint und es am Ende auch gut mit ihnen macht.

Von den Menschen aus der Bibel kann ich Vertrauen und Geduld lernen. – Jetzt im Sommer sitze ich oft ganz früh am Morgen auf der Terrasse und lese einen kurzen Abschnitt in der Bibel. Heute etwa vom Propheten Jesaja, der sich ganz sicher war: „Gott hilft mir, deshalb werde ich nicht zuschanden“ (Jesaja 50,7). Und dabei schaue ich auf mein Pfirsichbäumchen. Bei ihm ist mir das Warten zwar nicht besonders schwer gefallen. Aber es erinnert mich daran, dass Warten sich lohnt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22443
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