Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Meisen sind misstrauische Tiere. Jedenfalls das Pärchen, das bei uns im Nistkasten unterm Terrassendach gebrütet hat. Immer, wenn jemand auf der Terrasse saß, ging das gleiche Drama los. Die Meisen haben sich nicht herangetraut. Schimpfend haben sie in sicherem Abstand auf dem Gartenzaun gesessen. Danach ging es ganz zögernd aufs Garagendach, dann noch etwas näher auf den Dachbalken, und zuletzt wie der Blitz in den Nistkasten.

Ich glaube: So wie es den Meisen mit uns gegangen ist, so geht es manchen Menschen mit Gott. Sie bleiben lieber auf Sicherheitsabstand, wollen lieber nicht so viel mit ihm zu tun haben. Und wenn es sich nicht vermeiden lässt, bei einer Hochzeit oder an Weihnachten, dann sind sie danach ganz schnell wieder weg.

Das Verhalten unserer Meisen fand ich zuerst völlig daneben. Schließlich habe ich den Nistkasten angeschraubt. Meine Frau hat die Meisenknödel aufgehängt. Und keiner von uns käme jemals auf die Idee, den Meisen etwas Böses zu tun. Warum vertrauen sie uns nicht? – Wahrscheinlich deshalb, weil sie tatsächlich oft in Lebensgefahr sind. Katzen, Krähen, Marder, das alles gibt es in unserer Gegend. Misstrauen und Vorsicht sind für die Meisen und ihren Nachwuchs überlebenswichtig. Und woher sollen sie wissen, dass wir es gut mit ihnen meinen?

Vielleicht ist das auch der Grund, warum sich viele Menschen von Gott und der Kirche fern halten. Sie haben vielleicht Angst davor, finanziell abgezockt zu werden. Andere befürchten, sie müssten ihren Verstand abschalten, wenn sie sich näher mit Gott beschäftigen. Und sicher gibt es auch manche, die irgendwann in ihrem Leben schlechte Erfahrung gemacht haben, mit einem Pfarrer oder mit einem anderen gläubigen Menschen. Und seitdem sind sie vorsichtig.

Inzwischen sind die Meisen samt Nachwuchs weg aus unserem Garten. Und sie sind bis zum Schluss misstrauisch geblieben. Ich hätte wohl selbst eine Meise sein müssen, um ihnen zu zeigen: Diese Menschen meinen es gut mit euch und verdienen eigentlich euer Vertrauen.

Meise werden. Werden, wie die, die einem nicht vertrauen. – Gott hat das ja tatsächlich gemacht. Um den Menschen zu zeigen, dass er es gut mit ihnen meint, ist er Mensch geworden. In Jesus Christus. Jesus hat den Menschen gezeigt, wie Gott es mit ihnen meint. Wer wissen will, wie Gott ist, der sollte sich anschauen, wie Jesus mit den Menschen umgegangen ist: Jesus hat niemanden verurteilt. Viele sind bei ihm ihre Lasten losgeworden. Und vielen hat er neuen Mut für ihr Leben gegeben. So ist Gott. – Ich finde das ziemlich vertrauenswürdig.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22442
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