Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ein Hörer hat sich über einen Beitrag von mir geärgert. Weil ich darin Gott sehr direkt und ungeniert angesprochen, fast angegriffen habe. Ich habe Gott gesagt, dass es mir weh tut und ich mich ärgere, weil es einem Freund so schlecht geht, und das Paket immer größer wird, das der zu tragen hat. Dass ich mich da auch über ihn, Gott, ärgere. Offenbar hat der Hörer Angst gehabt, Gott könnte beschädigt werden, wenn ich ihn wie einen guten Freund behandle. Diesem Hörer und allen, die so denken, versuche ich auf ihre Sorge mit einer biblischen Geschichte zu antworten.

Dort geht es auch um eine heftige Auseinandersetzung. Zwei streiten, ja, sie kämpfen miteinander. Der eine ist Jakob, der andere - und das ist schon außergewöhnlich - ist Gott. Jakob kämpft mit Gott. Ohne Waffen, aber mit dem ganzen Einsatz seines Körpers. Lange ist nicht klar, wer gewinnt. Da schlägt Gott Jakob auf die Hüfte. Das Gelenk springt aus seinem Halt, was ein furchtbarer Schmerz sein muss. Trotzdem lässt er nicht los. Schließlich bringt Jakob unter Schmerzen einen Satz heraus– stammelnd oder schreiend: Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest. So ist das also: Jakob ringt mit Gott. Er bietet all seine Kräfte auf, um endlich zu wissen, woran er mit Gott ist. Und Gott segnet ihn. Zumindest empfindet Jakob es so. Der Kampf hat sich gelohnt. Gott scheint es zu schätzen, wenn man mit ihm streitet. Erstaunlich!

Ich habe oft Anlass, mich mit Gott auseinander zu setzen. Ein Kind stirbt kurz vor der Geburt im Leib seiner Mutter. Ein Kollege versinkt in seinen Depressionen. Bei einer Freundin hören die Probleme einfach nicht auf. Ich glaube, dass Gott existiert. Und dass er sich für das interessiert, was er geschaffen hat auf dieser Welt. Dass er sich für jeden Menschen interessiert, dass ihm nichts egal ist und er keinen aufgibt. Dass er es gut meint, alles in allem, auch wenn ich das nicht immer und genau verstehe, wie er das macht. Wenn dem so ist, dann muss ich mit Gott streiten, wenn es einem Menschen schlecht geht und ich das mitbekomme. Und ich muss dann auch kein Blatt vor den Mund nehmen. Wenn Jakob das durfte, darf ich das auch. Der Kampf mit Gott tut gut, er entlastet mich. Und wenn dann am Ende ein Segen steht... Um so besser.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22410
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