Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Sie wird mir fehlen, die EM. Sie hat meinen Horizont erweitert.
Die Isländer haben mich begeistert. Auch ihre Namen. Ein Torschütze, der gegen England das Siegtor schießt und Sigthor-sson heißt? Wundervoll. Und dieser Ohrwurm, den die Nordiren immer gesungen haben. Erst nach einer Weile habe ich verstanden: der Held in ihrem Lied ist ein Reservespieler. Er hat keine einzige Minute gespielt bei der EM. Aber sie finden ihn klasse. Und dann waren da noch die irischen Fans, die in der U-Bahn ein Baby in den Schlaf gesungen haben. Sensationell.

Ich habe bei dieser EM über meinen deutschen Gartenzaun geschaut. Obwohl: diesseits des Gartenzaunes geht es ja auch schon recht international zu. In meiner Straße wohnt seit Jahrzehnten eine spanische Familie und eine aus Togo und ein Paar aus den Niederlanden.

Und letzten Sonntag hat ein Flüchtling aus dem Iran bei uns im Gottesdienst die Lesung übernommen. Es war eine Stelle aus dem Neuen Testament. Das ist ursprünglich auf Griechisch geschrieben worden. Worte von Jesus wurden dafür aus seiner aramäischen Muttersprache übersetzt. Und wir haben im Gottesdienst diese Sätze nun auf Deutsch und Farsi gehört.
„Hier geht’s ja bunt zu!“, hat nachher einer gelacht.

Ich glaube, das ist ein Vorgeschmack auf den Himmel. So wird es in der Bibel in faszinierenden Bildern erzählt: im Himmel geht es international zu. Er ist mit Menschen aus aller Herren Länder bevölkert. Sie sind der Einladung ihres Gastgebers gefolgt: Gastgeber ist keiner von uns, sondern Gott.

Spätestens im Himmel werden wir also nicht unter uns sein. Ich finde: Dann können wir hier ja schon mal üben. Manchmal ist es anstrengend miteinander. Ja. Wenn so unterschiedliche Menschen zusammen kommen, kommen unterschiedliche Mentalitäten zusammen. Das funktioniert nicht reibungslos Aber ich finde, die Mühe lohnt sich.

Ich lerne von den Iranern, die die Gottesdienste in meiner Gemeinde besuchen.
Sie haben uns Einheimische auf manches aufmerksam gemacht, was wir vorher eher selbstverständlich genommen haben: Ich bin dafür dankbar geworden, dass ich meinen Glauben in aller Freiheit leben kann. Und andererseits haben wir über manche typisch deutsche Eigenheit auch fröhlich miteinander gelacht. Merke: wir sind nicht der Nabel der Welt. Und die anderen auch nicht. Aber wir können zusammen leben. Und eigentlich kommt es nicht darauf an, wer gewinnt – außer beim Fußball.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22333
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