Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Ein Bruder und eine Schwester, nichts Schöneres kennt die Welt, kein Band im Leben hält fester, wenn einer zum anderen hält.“ Naja, werden die einen jetzt sagen, dieser Spruch klingt ja zu schön um wahr zu sein. Aber ich hab halt keine Geschwister oder nur Zoff mit meiner Schwester oder Sorgen um meinen Bruder. Und die anderen werden sagen, genau so isses, meine Geschwister sind mir eine Freude und eine Stütze im Herzen. Und alle haben sie recht. Das mit den Geschwistern ist wie im sonstigen Leben, aber eines ist sicher anders: Geschwisterbeziehungen sind etwas ganz Besonderes. Es sind die längsten Beziehungen, die es gibt. Selbst die längste Ehe reicht nicht an die Dauer dieser Verbundenheit. Auch die Eltern sterben früher und die eigenen Kinder erleben wir auch nicht so lange wie unsere Geschwister. Geschwister sind was Besonderes, weil sie neben den Eltern gut für das Urvertrauen sind. Von klein auf sind sie Seite an Seite und einander vertraut. Miteinander lernen sie spielend, dass Menschen verschieden sind und füreinander da sein können. Geschwister erfahren aber auch wie sich Konkurrenz und Ungerechtigkeit anfühlen. Die Bibel erzählt schon ganz am Anfang davon, mit Kain und Abel. Da ermordet Kain seinen Bruder Abel, weil Gott sein Opfer nicht annimmt, das von Abel aber schon. Lange Zeit war diese Bibelstelle für mich ein Urbild für den Hass und den Unfrieden unter den Menschen. Ich habe aber gelernt, dass es dabei um die Quelle dieses Unfriedens geht: Die Ungerechtigkeit. Um ein Urbild von Ungerechtigkeit, das den Unfrieden schon in Familien pflanzt. 

Wenn ein Kind bevorzugt wird, wenn ein Kind immer den Platz an der Sonne hat und das andere den im Schatten. Das gibt es, das gibt es viel zu oft und daher kommt auch viel unheilvoller Schmerz in den Seelen von Menschen. Und Zwietracht zwischen den Geschwistern. Viele Erbstreitigkeiten kommen daher. Bei denen es eben nicht nur um Geld und Wertgegenstände geht, sondern ein letztes Mal um Gerechtigkeit. Denn es ist wie ein ungeschriebenes Gesetz für Eltern: Die Art der Liebe zu den Kindern mag verschieden sein, das Maß aber muss gleich sein.

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