Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ein erster Schluck Kaffee, der Blick in die Morgenzeitung. Der Tag kann beginnen...

Er hat schon längst begonnen, nämlich für jene, die uns in aller Herrgottsfrühe die Tageszeitung in den Kasten gelegt haben. Wenn ich mal ganz früh aus den Federn muss, sehe ich die Zusteller wie graue Mäuse im Dämmerlicht der Laternen durch die Straßen huschen: Viele Frauen in Mini-Jobs, Rentnerinnen und Rentner, die ein paar Euro hinzu verdienen, ebenso wie manche Erwerbslose. Denen werden allerdings die paar Kröten – von einem Freibetrag abgesehen – gleich wieder vom Arbeitslosengeld abgezogen. Neuerdings haben manche Zusteller für ein paar Euro mehr auch noch Briefe privater Post-Unternehmen zu befördern. Für diese „Billigheimer“ gilt bekanntlich immer noch kein Mindestlohngesetz.

Zeitungszustellung: Ein Knochen-Job morgens auf den Straßen, bei Wind und Wetter, Neuschnee im Winter und noch nicht geräumten Wegen. In den wenigsten Fällen wird geeignete und wetterfeste Kleidung gestellt. Zentnerschwer der Zustellwagen, manche nicht einmal lenkbar. Die Bezirke sind groß, die Wege weit und schlecht ausgeleuchtet, die Briefkästen oft zu klein. Aber wehe, wenn die Morgenlektüre mal nicht rechtzeitig im Kasten steckt. Dann hagelt es Beschwerden, und es gibt richtig Ärger.

Weil man sie kaum zu Gesicht bekommt, erhalten die Zustellerinnen und Zusteller auch kaum mal ein Dankeschön. Manchmal kennt man wenigstens den Namen dieser Frauen und Männer und könnte denen selbst mal eine kleine Aufmerksamkeit in ihren Briefkasten stecken. Trifft man sie persönlich, freuen sie sich über jedes gute Wort des Dankes und der Anerkennung. Wenigstens sollten wir uns immer mal wieder bewusst werden, dass die Zeitung nicht von allein daher geflogen kommt.

Was Bert Brecht eindrucksvoll in seiner „Dreigroschenoper“ besingt, ist auch in unserer Gesellschaft Realität: „Und man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht....“ In unserem Fall sind es aber nicht zwielichtige Gestalten wie „Mackie Messer“, sondern ehrbare Menschen, die uns einen wertvollen Dienst erweisen. Eine humane Gesellschaft erkennt man daran, dass sie jene nicht übersieht, die im Verborgenen arbeiten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2226
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