Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Du musst gnadenlos sein. Friss oder stirb!“ – Mit diesem Werbespot traktiert eine Direktbank ihre Anlegergemeinde. Da greift man beim Vertragsabschluss besser zum Colt statt zum Kugelschreiber. Regelt man neuerdings Geschäftsbeziehungen in Wildwest-Manier?

Geschäftsleute beklagen eine zunehmende Brutalisierung:
• Konzerne fürchten „feindliche Übernahmen“;
• Große Investoren fallen wir Heuschreckenschwärme über Unternehmen her und fressen alles ratzekahl;
• Eine verheerende Zahlungsmoral treibt klein- und mittelständische Unternehmen an den Rand oder gar in den Ruin;
• Banken knebeln ihre Kreditnehmer; Incasso-Firmen verfolgen säumige Kunden bis in ihr Privatleben hinein;
• In den Betrieben wird Jagd gemacht auf Kranke, werden Löhne gedrückt, Arbeitszeit verlängert.
• Am Ende der Spirale machen die Beschäftigten sich selber die Hölle heiß. „Friss oder stirb...“ Entweder du oder ich.

Nun - die Geschäfts- und Arbeitswelt war noch nie ein Streichel-Zoo. Aber eines ist dennoch klar: ohne geschriebene und vor allem ungeschriebene Gesetze entartet sie zum Kriegsschauplatz. Doch wer sich gnadenlos im Markt benimmt, wird selber keine Gnade finden. Wer frisst, wird später selbst zum Fraß.

Es wäre an der Zeit, sich auch im Wirtschafts- und im Arbeitsleben auf Werte zu besinnen, auf Ehrbarkeit, auf Anstand und Würde, auf wahre Menschlichkeit. Oder gilt für die Wirtschaft, was der Schriftsteller Erich Fried einmal so zum Ausdruck brachte: „Zu den Steinen hat einer gesagt: Seid menschlich, aber die Steine haben gesagt: Wir sind noch nicht hart genug....“

Für so Hartgesottene empfiehlt sich eine Herz-Transplantation im Sinne der Bibel. Beim Propheten Ezechiel (11, 19) greift Gott selbst zum Skalpell: „Ich schenke euch ein anderes Herz. Ich nehme das Herz aus Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz aus Fleisch...“

Sage keiner, er wäre in Arbeit und Wirtschaft nur der Getriebene. Auch schmale Entscheidungs-Korridore im internationalen Wettbewerb lassen immer noch Raum für den „Gnadenweg“. Und das gilt erst recht für den ganz alltäglichen Umgang miteinander.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2225
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